Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)
Das schmale Gesicht, die dünnen Haare, die lange nicht mehr gekämmt worden waren und nun ihrem eigenen Wuchs folgten. Dunkelblaue Augen, die wild im Zimmer umherblickten. Ein nahezu farbloser Mund wie ein Schrei. Dünne Finger mit abgeknabberten Nägeln. Fast ein Kind.
»Wie ist dein Arbeitstag verlaufen?«
»Ganz normal. Freitags ist immer viel zu tun. In der Pause habe ich Anita angerufen. Ich hatte eigentlich nichts zu sagen, aber ich fand es schön, anrufen zu können, wenn ich wollte. Sie arbeitet im Warenhaus. Wir haben ein paar Minuten gequatscht, dann haben wir aufgelegt. Ich hätte sie gern gebeten, ein Kleid anzuziehen, aber ich hab mich nicht getraut. Will nicht so ein herrschsüchtiger Typ sein. Die Mädchen mögen so was nicht. Also hab ich nichts gesagt. Aber dann hatte sie ein Kleid an.«
»Um wieviel Uhr wart ihr dann alle in deinem Zimmer versammelt?«
»So gegen sieben. Anders kam später, er arbeitet bis sieben, es war vielleicht halb acht, ich weiß es nicht mehr so genau.«
»Was habt ihr gemacht?«
»Bier getrunken natürlich. Ich meine, wir haben geredet. Musik gehört. Diskutiert.«
»Worüber diskutiert?«
»Fußball. Das Konzert von Joe Cocker. Das haben wir uns angesehen, im Oslo Spektrum. Er war ziemlich schwach, darüber haben wir lange geredet. Die Mädels waren sauer, sie fanden ihn total – ja, was haben sie noch gesagt? Einfach toll irgendwie. So, wie er dasteht, seine Haltung und so, als hätte er das alles nicht im Griff. Das finden sie scharf.«
Sejer lächelte. Robert entspannte sich. Der schicksalhafte Schuß lag noch weit in der Zukunft, im Moment befand er sich an einem Zeitpunkt, zu dem er noch nicht zum Mörder geworden war, und es tat gut, dort zu sein, das andere gewissermaßen zu vergessen. Aber es kam näher. Wie ein wütender Stier tobte die Untat schon hinter einem dünnen Zaun.
»Dann haben wir über Politik gesprochen. Die Wahlen. Zwei wollten hingehen, und sie haben sich ein wenig gestritten. Roger und Greta fingen an zu tanzen. Anita setzte sich zu mir aufs Sofa. Sie blieb die ganze Zeit dort sitzen, bis abends spät, stand nur auf, wenn sie aufs Klo mußte. Sie wissen schon, wenn Mädchen trinken…« Er verstummte. »Es war so schön«, sagte er dann leise. »Ich hatte alles. Das meine ich wirklich. Zimmer. Job. Freundin. Bekannte. Wir hatten zwei ganze Kästen – äh, vor mir lag nicht nur das Wochenende, sondern das ganze Leben. Und gerade da konnte ich mir einbilden, daß es vielleicht so bleiben würde. Aber dann wurde es ziemlich…«
»Was hast du gedacht«, fiel Sejer ihm ins Wort, »als du mit Anita auf dem Sofa saßest und dir überlegtest, was du alles hattest?«
»Daß ich gern mein Leben lang so sitzen bleiben würde. Und was wohl passieren würde, wenn sie mich verließe.«
»Was für eine Art Leben hast du da vor dir gesehen?«
»Ich weiß nicht so recht…« Er dachte angestrengt nach. »Irgendeine Art Neuanfang. Und wie schwer so ein Neuanfang ist. Daß wir eigentlich nie weiterkommen, daß wir die ganze Zeit immer wieder von vorn anfangen. Neuer Job, neue Freunde. Neue Frau. Immer wieder.«
»Und dann ist sie aufgestanden und durch das Zimmer gegangen. Was hast du da gedacht?«
»Ich bin ganz ruhig geblieben. Sie mußte ja wohl ein bißchen herumlaufen dürfen. Sie hat nichts gemacht, aber ich habe sie im Auge behalten. Ich habe alle im Auge behalten. Auch Anders und Roger. Die haben sie angeschaut; aber das taten doch alle. Ich stänkere nie. Und obwohl ich… obwohl ich sie für mich haben wollte, habe ich nichts gesagt, sondern sie angestarrt, und ich habe die angestarrt, die sie angestarrt haben, weil ich wissen wollte, was da ablief.« Er senkte den Kopf und starrte seine Knastfüße an. »Anders war der Schlimmste, den kenne ich. Und ich hätte damit rechnen müssen. Er war wohl einfach neidisch. Wollte mich vielleicht auch ein bißchen hochnehmen. Das tut er oft, aber er ist nicht gemein. Jedenfalls nicht nur.«
»Was hat er gemacht?«
»Er ging zu Anita und wollte mit ihr tanzen. Ich wäre doch nie auf den Gedanken gekommen, daß sie nicht mit anderen tanzen dürfte, wirklich nicht. Anders starrte mich an, wollte sehen, wie ich reagierte. Ich blieb ganz ruhig sitzen. Aber ich habe alles beobachtet. Ich hatte so ein komisches Gefühl.« Er wurde immer leiser.
»Inwiefern komisch?«
Robert war ein wenig in sich zusammengesunken, und sein Blick wanderte ins Leere. Aber er dachte wirklich nach, durchwühlte seine
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