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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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erschrocken.«
    »Das wollte ich nicht«, sagte Skarre und machte eine Verbeugung.
    »Es sind so viele seltsame Leute unterwegs«, sagte sie. »Man weiß nie, wen man vor sich hat.« Dann brachte sie eine Art Lächeln zustande. »Sie hätten auch einfach gehen und die Sache vergessen können. Aber die Flasche ist wirklich wichtig.«
    »Schon klar.« Er trat einen Schritt zurück. Endlich hatte sie sich beruhigt. »Noch einen schönen Tag.«
    »Einen schönen Tag?« Sie schien aufzuwachen. »Sie wissen nicht, wovon Sie reden.«
    Skarre zögerte. Pötzlich schien sie verwirrt. Sie fuhr herum und ging weiter den Hang hinauf. Skarre sah, wie sie unmittelbar vor einer kräftigen Hecke nach links abbog. Hinter den Bäumen stand ein weißes Haus mit grünen Fensterrahmen.

 
    I ch drehte den Hahn auf und ließ das Wasser laufen. Ich war gefaßt genug, um mich um ihn zu kümmern, und außerdem war ich für ihn verantwortlich. Er hatte nur mich. Dieser Gedanke hallte in mir wider, obwohl ich wußte, daß es nicht von Dauer sein würde, daß ich nur für kurze Frist einen Menschen zu meiner Verfügung haben würde. Der mir zuhören mußte. Er fing an zu stöhnen, als ich die Luke öffnete. Es war ein seltsames Gefühl, mit einer Nuckelflasche in der Hand dazustehen; das war so lange her. Ich hatte mir alles genau überlegt. Wenn ich ihm ein Kissen auf die Brust legte, konnte die Flasche darauf ruhen. Sie für ihn zu halten, nein, das brachte ich nicht über mich. Ich fand es seltsam, daß er immer noch am Leben war. Etwas stimmte nicht mit seinen Beinen und Armen und vielleicht auch mit seiner Lunge. Seine Stimme war schwach, und er atmete nur mühsam. Ich blieb eine Weile einfach stehen. Daß ich die Flasche vergessen hatte! Ich wußte nicht mehr genau, was ich zu dem jungen Mann gesagt hatte. Und das machte mir angst. Aber ich hatte ja anderes im Kopf. Ich ging die Treppe hinunter. Er sah die Flasche sofort und sperrte die Augen auf. Ich legte ihm das Kissen auf die Brust, auf die Decke. Die Flasche fand guten Halt. Er fing sofort an, Wasser in sich hineinzusaugen, ohne Pause, in der Flasche stiegen Luftblasen auf. Ich saß still da und sah ihn an. Ich saß mitten auf der Treppe, so daß sein Kopf zwischen meinen Knien zu sehen war, wie etwas, das ich dort auf dem Boden geboren hatte. Ich freute mich darüber, daß er endlich Wasser bekam. Während er trank, flossen die ganze Zeit die Tränen. Ich war hin und weg von dem schönen Gesicht und den hellen Augen und dem Wasser, das glucksend durch seine Kehle rann. Ich hatte das Loch im Sauger mit einer Schere vergrößert, um ihm das Trinken zu erleichtern. Als er die Flasche fast geleert hatte, war sie so leicht, daß sie vom Kissen auf den Zementboden rollte.
    »Danke«, flüsterte er. Dann schloß er die Augen. Ich war gerührt. Wollte er denn nicht wieder schreien? Mich verfluchen, mir drohen, damit ich endlich Hilfe holte? Er schien zu schlafen. Ich wartete gespannt. Er atmete nur mühsam. Ich wäre die ganze Nacht bei ihm sitzen geblieben, hätte ich nicht Rückenschmerzen bekommen. Wäre ich dazu in der Lage gewesen, ich hätte ihn in mein eigenes Bett getragen. Das hätte ich für ihn getan, mit Freude hätte ich es für ihn getan. Nichts läßt sich mit dem Gefühl vergleichen, einen Menschen anzustarren, der uns restlos ausgeliefert ist. Ich beschloß auf der Stelle, ihn zu pflegen, so gut ich nur konnte. Und der Keller, der mir doch so vertraut war, veränderte sich langsam. Er war nicht mehr düster und abstoßend, ich sah ihn jetzt deutlich. Spinnweben unter der Decke. Die Lampe ließ die Fäden wie Silber funkeln. Das Halbdunkel in den Ecken, das gelbe Licht und der stumpfe Boden. Triste alte Möbel, die jetzt an Würde zu gewinnen schienen. Sie ruhten zufrieden an der Kellerwand, hatten ihre Arbeit geleistet. Die abgenutzten Stufen, auf denen ich saß. Dieser stille Raum. Andreas hatte ihn mit etwas gefüllt. Er war jung und dumm, er hatte gedankenlos gehandelt, wie junge Leute das so machen, sie trampeln einfach drauflos. Aber so zu liegen und frieren zu müssen, das hatte er dann doch nicht verdient. Ich faßte mich.
    »Hast du Schmerzen?« fragte ich.
    Es dauerte eine Weile. Dann öffnete er die Augen. »Nein«, sagte er leise.
    »Frierst du?«
    »Nein«, sagte er noch einmal.
    Er leckte sich die Lippen. Die waren gesprungen. Auf der linken Seite waren seine Haare blutverschmiert. Starr klebten sie ihm am Kopf.
    »Du liegst unbequem. Ich leg dich anders

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