Dunkler Schnee (German Edition)
Reihen hoher Tische, die, mit Barhockern versehen, das Lokal mehr als Bistro denn als Speiserestaurant erscheinen ließen. Laurens saß genau in der Mitte einer solchen Reihe, von oben beleuchtet durch zwei konisch geformte Lampen.
Andere Gäste hatten sich an die äußeren Tische gesetzt. Er saß da wie mitten in eine Manege gesetzt, doch wirkte er mehr wie das Publikum als wie ein Akteur. Er hatte ein großes Kölsch vor sich stehen. „Da bist du ja“, sagte er erfreut, als Marisa auftauchte, stand auf, küsste sie und nahm ihr galant die Jacke ab. „Bist du müde?“
„Es geht“, sagte sie und winkte dem Kellner, der sofort geräuschlos an den Tisch kam.
„Campari“, sagte sie kurz. „Was ist?“, fragte sie ihren Verlobten, „du siehst so fröhlich aus.“
„Ich habe auch allen Grund dazu. Schließlich wirst du meine Frau!“
„Sag bloß, wir haben einen …“
„Ja, wir haben einen Termin gefunden! Alle werden kommen! Und zwar in genau sechs Wochen, mitten im Advent. Ich gehe gleich morgen früh zum Standesamt. Was sagst du dazu?“
Sie beugte sich vor und küsste ihn zart. „Na endlich.“
10. Nova Scotia – Zurück oder
bleiben
„Mist!“, flucht Marisa und knallt ihr Telefon auf den Tisch. Erst ist ihre Frage nach einem Platz im Flieger nach Frankfurt im Nebel der Zuständigkeiten stecken geblieben, und dann erhält sie nach einem weiteren Versuch, den richtigen Ansprechpartner zu bekommen, nur die lapidare Auskunft „ausgebucht“, sie möge es später wieder versuchen.
„Wann später?“, heult sie los in der Gewissheit, dass sie unbeobachtet ist. „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“ Sie steht mitten im Zimmer, würde einen Sparringspartner in dem Moment entgegen allen Fairness-Regeln gnadenlos niederprügeln, stampft unbeholfen auf einem unsichtbaren Gegner herum und rauft sich die Haare. Sie nimmt noch einmal das Telefon auf und ruft die letzte SMS ab. „Dich kriege ich auch noch“, steht auf dem Display. Es raubt ihr den Atem, sie versteht diese Welt nicht, diese Gemeinheit, der sie einfach so ausgeliefert ist, der sie nichts entgegenzusetzen hat. Marisa fühlt sich nur mehr wie eine Hülle, die man über irgendeinen Körper gezogen hat, der nicht der ihre ist, der am besten gar nichts mit ihr zu tun hat. Sie starrt auf die Nachricht, spürt plötzlich, dass sie sich so stark auf die Lippe beißt, dass es schmerzt. Dann beginnen die Buchstaben vor ihren Augen zu tanzen. Sie entfernt die Wörter, weiß instinktiv, dass sie eben nur die Wörter und nicht deren Bedeutung entfernen kann und greift nach einer Flasche Wein auf der Spüle. Einmal geöffnet setzt sie den Flaschenhals an. Gierig trinkt sie drei Schlucke, bemerkt dann, dass der Wein viel zu warm ist, und stellt die Flasche in den Kühlschrank. Neben einer Tüte vom Liquor Store mit zwei Flaschen Wein hat sie noch Brot, Aufschnitt und Schokolade aus dem Supermarkt mitgebracht. Das würde bis zur Rückreise reichen, dachte sie, bis eben.
Sie hört, wie sich jemand auf der Veranda die Schuhe abklopft, und erstarrt für einen Moment. Entgegen den kanadischen Gepflogenheiten, die Haustür unverschlossen zu halten, hat sie den Knauf von innen in die Sperrposition gedreht. Das Haus kann nicht gewaltlos betreten werden. Im gleichen Moment denkt sie, dass ein Einbrecher keinen Krach machen würde, und geht nachsehen. Im selben Augenblick klingelt auch schon die Türglocke und sie sieht Adam draußen stehen.
„Wie geht es, Honey?“, fragt er im Reinkommen und zieht sich die Schuhe aus.
„Schlecht“, antwortet sie. Sie bedeutet ihm, ihr ins Wohnzimmer zu folgen und Platz zu nehmen. „Ich komme nicht weg von hier“, erklärt sie.
„Dann bleib doch noch!“
„Haha!“
„Du hast gesagt, dass dir jemand aus Deutschland gefolgt ist. Derjenige würde dir auch wieder zurück nach Deutschland folgen. Also, was hast du gewonnen?“
„Ich wäre wenigstens bei meiner Familie.“
„Um was zu tun?“
„Keine Ahnung.“ Marisa stützt ihr Kinn auf eine Hand. „Ich habe Angst, Adam. Wer einen Hund in den Tod schickt, tut dies vielleicht auch mit einem Menschen.“
Sie berichtet ihm von der SMS.
„Das ist böse“, sagt Adam und nickt versonnen.
„Möchtest du was trinken?“, fragt Marisa und steht auf. Sie hat das Gefühl, etwas tun zu müssen.
„Ich möchte dir vor allen Dingen helfen.“
„Du hast keine Ahnung, auf was du dich da einlässt.“ Sie sieht Adam eindringlich an; er hat einen Ausdruck in den Augen,
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