Dunkler Schnee (German Edition)
Unterarm an ihre Kehle, griff mit der anderen Hand in ihren Nacken und trat gleichzeitig ihre Beine auseinander, dass sie Mühe hatte, ihr Gleichgewicht zu halten. Er bleckte die Zähne. „Ich brauche das Geld! Zahl oder ich mach dich fertig! Ich mach euch alle fertig!“
„Laurens!“ Claus Demmer stand im Türrahmen; seine Stimme dröhnte. „Lass sie los!“
Laurens ließ unvermittelt von Marisa ab und wandte sich dem 60jährigen zu. Laurens überragte Claus um einen Kopf und hatte keine Mühe, ihn in den Flur zu schubsen. Claus stieß heftig an der Wand an.
„Verschwinde!“ Marisa kam hinterher und mit einer rasenden Wut in Bauch, Herz und Kopf rannte sie gegen Laurens, trat ihn und hieb wie wild mit den Fäusten auf ihn ein. Die ganze Anspannung der letzten Tage fand ihr Ventil. Etwas überrascht über diesen Angriff drehte sich Laurens um und holte zum Schlag aus. Sein Handrücken traf Marisa an der Schläfe. Benommen prallte sie an die Wand, riss dabei einen Bilderrahmen herunter, der scheppernd zu Bruch ging. Sie nahm nur schemenhaft wahr, dass beide Männer ins Treppenhaus stolperten, dann hörte sie den Widerhall von Schreien und Ächzen, schließlich Gepolter und einen kurzen Schrei, der wie der Eintritt in einen Albtraum klang.
Der Raum, in dem Marisa aufwachte, war abgedunkelt. Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand. Irgendwie drängte sich der Gedanke auf, es wäre besser, die Augen wieder zu schließen und sich schlafend zu stellen. Das war leicht. Leichter als alles andere.
„Frau Demmer, mein Name ist Raimund Löffler, ich schreibe für die „Stadtwoche“, können Sie mir sagen, was passiert ist?“
Was? Wer? Wieso Stadtwoche? Marisa schlug die Augen auf; eine Welle der Übelkeit rollte an, und ihr latent vorhandenes Vorhaben, sich aufzusetzen und zu orientieren, sackte in sich zusammen. Sie erkannte einen Mann, der neugierig auf sie herunterblickte. Wer, zum Teufel, war das? Und warum quatschte der sie an? Sie lag in einem Bett, erkannte dann ohne Schwierigkeit ein Krankenzimmer, denn eine solche Atmosphäre von Desinfektionsmitteln und Trübnis gab es nur in Hospitälern. Bevor sie antworten konnte, rauschte ihre Mutter an. „Ich sagte Ihnen bereits, dass wir heute keinen Kommentar abgeben. Verschwinden Sie und lassen Sie meine Familie in Ruhe!“ Sie zerrte den jungen Mann hinaus. Dann trat sie zu Marisa ans Bett.
„Was ist denn los?“, fragte Marisa und versuchte die Übelkeit zu ignorieren. Es gelang nicht. Hilfreich hielt ihre Mutter eine Nierenschüssel, in die sie sich erbrach.
„Du hast eine Gehirnerschütterung, Liebes. Er hat dich heftig erwischt.“
Dann erinnerte sie sich wieder und erschrak. „Was ist mit Papa?“
„Drei Rippenbrüche und ein gebrochenes Schlüsselbein.“
„Der Ärmste!“ Der Schrei hallte in ihrem Schädel wider und immer noch war ihr übel.
„Marisa, das ist nicht alles.“ Gudrun strich ihrer Tochter das verschwitzte Haar aus der Stirn.
„Was? Wieso? Mama, sag!“
„Er hatte einen Herzanfall und liegt jetzt auf der Intensivstation. Ich gehe gleich wieder hin. Man hat es Gott sei Dank sofort bemerkt und die Behandlung eingeleitet. Er wird es schaffen, aber es wird seine Zeit brauchen.“
„Oh, es tut mir so leid, Mama, so leid!“ Marisa weinte und drückte sich in den Arm der Mutter. „Was können wir nur tun?“
„Die Polizei ist da und will mit dir reden. Und bitte sprich nicht mit diesen Journalisten. Ein Wunder, dass die schon Wind von der Sache bekommen haben.“
„Ist gut.“ Sie bat erneut um eine Nierenschüssel. Die Polizei musste warten.
22. Nova Scotia – Bei Adam
„Und da lag ich nun in diesem beschissenen Krankenzimmer, konnte nichts tun, außer zu kotzen, konnte noch nicht mal zu meinem Vater, der durch mich in Lebensgefahr geraten war“, schildert Marisa dem perplexen Adam den Verlauf ihrer absonderlichen Geschichte. Sie geht im Zimmer hin und her, fast überwältigt von den Erinnerungen an die Hilflosigkeit und Wut, die sie damals erfuhr.
Adam ist seit einer halben Stunde zu Hause. Nachdem Marisa ihn aufgeregt angerufen hat mit der Mitteilung, der Van sei wieder da, ist er ohne Umschweife früher von der Arbeit gekommen. Als er eintraf, war der mysteriöse Wagen verschwunden. Marisa hat niemanden ein- oder aussteigen sehen, sie hat aber auch nicht ununterbrochen hinausgesehen, weil sie zwischenzeitlich im Bad war. Als Adam eintraf, war sie immer noch so nervös, dass sie augenblicklich begann zu
Weitere Kostenlose Bücher