Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
wie Sie, Darl?«
Ich sah, wie seine Augen einen Moment lang flackerten, so als sei ihm etwas aufgefallen. Dann wurde mir klar, daß seine Unruhe nichts mit meiner Frage zu tun hatte. Er starrte auf einen Zuschauer hinten im Gerichtssaal. Felix Ringo saß am Gang, hatte seinen Tropenhut auf dem Knie liegen, einen Ellbogen auf die Armlehne gestützt und hielt sich drei Finger vor den Mund.
»Was hat das denn damit zu tun?« fragte Darl.
»Beantworten Sie die Frage«, sagte die Richterin.
»Ja, sie hat dort gearbeitet«, sagte Darl.
»Wer hat ihr den Job besorgt?« fragte ich.
»Meine Eltern. Sie hat ihnen leid getan, weil sie so ein mieses Leben gehabt hat.«
»Woher kannten Ihre Eltern Roseanne Hazlitt, Darl?«
»Bunny hat sie mal mit zu uns gebracht. Wollen Sie etwa behaupten, ich hätt was mit der gehabt? Die hätt ich nicht angerührt. Die war da unten wahrscheinlich so weit wie der Panamakanal.«
Er warf mir einen verschmitzten Blick zu und beugte sich vor, so als wolle er näher zu seinen Freunden rücken, die genauso spöttisch grinsten, und dadurch alle übrigen Anwesenden im Gerichtssaal ausblenden.
»Haben Sie und Ihre Freunde Lucas Smothers unter Drogen gesetzt, ihn ausgezogen und im Country Club einen Eimer Jauche über ihn gegossen? Haben Sie seinen Garten verwüstet? Sind Sie zu mir nach Hause gekommen und haben versucht, mir zu drohen? Haben Sie einen Obdachlosen ermordet, Darl?«
»Mister Holland, das geht entschieden zu weit«, sagte die Richterin.
»Zurückgezogen«, sagte ich.
Darl wirkte wie benommen, als er wortlos und mit offenem Mund den Zeugenstand verließ. Er bleckte die Zähne wie ein hungriger Raubfisch.
Mittags paßte mich Marvin Pomroy ab und bat mich in sein Büro. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, nahm seine Brille ab und rieb sich mit dem Handrücken über die Stirn.
»Hier gehen ein paar Sachen vor, bei denen mir gar nicht wohl zumute ist«, sagte er.
»Oh, das tut mir aber leid«, sagte ich.
»Ich habe wegen dieser Drohung nachgeforscht, die Moon angeblich gegen Bunny Vogel und seinen Vater ausgestoßen haben soll. Aber es gibt keinerlei Handhabe ... Er ist lediglich in ihr Haus eingedrungen, ohne vorher anzuklopfen.«
»Und warum erzählen Sie’s mir dann?«
Er griff zu einem rosa Durchschlagbogen auf seiner Schreibunterlage.
»Es betrifft die junge Frau, die an der gleichen Straße wohnt wie Sie, Wilma Flores, die Mutter von dem kleinen Jungen, der immer an Ihrem Weiher angelt«, sagte er.
»Petes Mutter?«
»Ja, genau, so heißt er, Pete. Sie hat heute morgen um fünf die Polizei angerufen. Sie hat geduscht, bevor sie zur Arbeit gegangen ist. Dann hat sie das Badezimmerfenster abgewischt, um festzustellen, ob es draußen noch regnet. Zehn Zentimeter vor sich sieht sie einen Typen mit dünnen, glatt an den Kopf geklatschten roten Haaren und blauen Augen, wie sie sie noch nie bei einem Menschen gesehen hat.«
Ich spürte, wie meine Hände kribbelten, als wären sie taub, wie ich mehrmals die Fäuste ballte und wieder öffnete.
»Der Deputy hat eine Anzeige wegen Voyeurismus aufgenommen. Vermutlich wäre nichts dabei rausgekommen, wenn ich ihn nicht darüber hätte reden hören, als ich heute morgen in der Wachstube war. Ich habe ihn mit den Polizeifotos von Garland Moon und fünf anderen alten Bekannten von uns zu dem Haus geschickt. Der Deputy sagt, sie hat einen Blick auf Moons Foto geworfen und wollte dann nicht mal mehr den Finger darauf legen, weil sie ihn sofort wiedererkannt hat«, sagte Marvin.
»Wo ist Pete jetzt?«
»In der Schule. Ich postiere heute nachmittag einen Deputy vor dem Haus.«
»Ihre Deputies nützen gar nichts. Haben Sie sich Moon geschnappt?«
»Er hat zwei Zeugen, die behaupten, daß er um fünf Uhr morgens in einem Diner gefrühstückt hat.«
»Glauben Sie denen etwa?«
»Es geht um Voyeurismus. Selbst wenn wir ihn deswegen belangen könnten, käme er innerhalb einer Stunde wieder auf Kaution frei. Ich habe die junge Frau angerufen und ihr angeboten, daß Pete eine Zeitlang bei uns wohnen kann. Sie hat gesagt, ich wolle nur der Fürsorge helfen, damit man ihr den Jungen wegnehmen kann ... Wo wollen Sie hin?« fragte er.
Stonewall Judy gewährte eine Verhandlungspause bis zum nächsten Morgen.
Ich fuhr nach Hause, ging in die Scheune, schloß die Sattelkammer auf und wühlte in den Hauen und Rechen, Hämmern, Pickeln und Äxten herum, die in einer alten Umzugstonne steckten. Trockene Erdklumpen und abgestorbene
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