Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
mehr fahrtüchtig«, sagte sie. »Ja, gut, ich würd ihn ja heimfahren, aber er hat gesagt, ich soll mein Diaphragma rausnehmen und mich verpissen. Deshalb denk ich mir, ich sag lieber gute Nacht und laß jemand anders den Scheiß für ihn ausbügeln. Bye.«
Sie hängte ein, schaute das Telefon an, sagte: »Scheißtyp« und ging wieder hinaus.
Als ich an der Kasse stand und meine Rechnung bezahlte, sah ich, wie Jack Vanzandts Cadillac mit einem schwarzen Chauffeur am Steuer auf den Parkplatz fuhr und Jack in Jeans, Tennisschuhen und einem Polohemd ausstieg und zum Wagen seines Sohnes ging. Darl saß nach wie vor auf dem Beifahrersitz, doch sein Kinn war jetzt auf die Brust gesunken. Jack legte seinen Kopf zurück und versuchte ihn aufzuwecken, aber Darls Gesicht war völlig blutleer, er hatte die Augen geschlossen, und seine Haut schimmerte talgig wie zerlaufenes Wachs.
Bis ich meinen Avalon anließ, hatte sich Jack bereits ans Lenkrad von Darls Wagen gesetzt und war mit seinem Sohn zum Highway gefahren. Jack wartete auf eine Lücke, damit er nach links abbiegen konnte, während ich nach rechts, in Richtung Westen fahren wollte. Dann erlebte ich etwas, das meine festgefügten Meinungen bezüglich menschlichen Verhaltens und der Macht der Liebe über den Haufen werfen sollte.
Die Scheinwerfer eines Lkws erfaßten den tiefgelegten Ford und tauchten ihn in gleißendes Licht, und ich sah, daß Darl den Kopf an die Schulter seines Vaters gelegt hatte. Dann wischte Jack irgend etwas weg, eine Brotkrume vielleicht, die unter den geschlossenen Augen seines Sohnes hing, und küßte ihn mit unverhohlenem Kummer mitten auf die Stirn.
Als am nächsten Morgen die Sonne aufging, war es immer noch dunkel und regnerisch. Ich saß am Frühstückstisch und las Urgroßpapa Sams Tagebuch.
30. August 1891
Der Prediger, der mich geweiht hat, ist mit glühenden Hufeisen im Gesicht gebrandmarkt worden. Er hat gesagt, daß den Frommen und Gerechten nur Gutes widerfährt. Seinerzeit kamen mir seine Worte vor wie Schneeflocken, die aus der Glut seines Glaubens aufstiegen. Doch heute klingen sie mir schal in den Ohren. Ich bin meiner Berufung nicht gerecht geworden. Wozu es noch länger leugnen.
Die da drunten in den Erdhöhlen sind heute abend betrunken. Sie haben zwei weiße Prostituierte mitgebracht, ein wildes Schwein erlegt und es am Flußufer auf offenem Feuer gebraten, und sie haben die Fiedel gespielt und sind um die Flammen getanzt. Ich habe mir überlegt, ob ich mich in Richtung Süden verziehen sollte, zum Red River und nach Texas, aber angeblich sind dort lauter Bundesmarshalls stationiert, damit keine vom Zeckenfieber verseuchten Herden zu den Verladebahnhöfen in Kansas getrieben werden, und die halten mir garantiert einen Haftbefehl vor und legen mich in Ketten.
Meine Öllampe ist niedergebrannt, und in unserem kleinen Haus tanzen die Schatten, während ich diese Zeilen niederschreibe. Die Erde in unserem Garten ist trocken und rissig und wimmelt von Insekten, und Jennie versucht die Mäuse mit einem Sackrupfen von den Melonen und Kürbissen zu verscheuchen. Es wird nichts nützen, aber das sag ich ihr lieber nicht.
Ich kann mich nach wie vor nur schwerlich damit abfinden, daß ich von Gesetzes wegen gesucht werde. Beim bloßen Gedanken daran jucken mir die Hände, als ob ich die Krätze hätte. Die da drunten in den Erdlöchern haben jetzt das Faß geköpft, kippen den Whiskey in sich hinein und hüpfen im Feuerschein herum wie wild gewordene Indianer. Ich bin am Little Round Top gewesen und habe erlebt, wie die Soldaten, halbe Kinder noch, die ich anvisiert habe, im Feuer meiner Flinte gestorben sind. Obwohl damals Krieg war, habe ich es oft bereut. Aber wenn ich die Felsen über dem Cimarron sehe, stelle ich mir ständig vor, wie ich da oben mit einem Henry-Stutzen oder einer Winchester-Büchse im Hinterhalt liege. Da drunten kippen die Doolins und die Daltons ihren Whiskey im Feuerschein. Ich wische mir die schweißnassen Hände an der Hose ab und muß mir die Gedanken verkneifen, die mir durch den Kopf gehen.
Ich sage mir, daß ich den Durst, der in mir brennt, lieber mit Whiskey stillen sollte als mit Blut. Aber ich weiß auch, daß ich wieder zum Trunkenbold werde, wenn es schon so weit mit mir gekommen ist. Morgen will ich nach Wichita reiten und mich der Obrigkeit stellen, und ich werde die Rose vom Cimarron verlassen. Ich bin bangen Muts, was die Behandlung angeht, die mir vor einem Yankee-Gericht zuteil
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