Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
brühwarm unter die Nase gerieben, vor seinen Freunden. Ein Junge wie der kennt keine Gnade mit seinen Feinden«, sagte sie.
»Die dumme Bemerkung, die ich gestern gemacht habe, tut mir leid.«
»Hab ich schon vergessen.« Sie nahm ihren Kaffeelöffel von der Serviette und legte ihn auf ihre Untertasse.
Ich wartete, doch sie saß mit ausdrucksloser Miene da, hatte die Finger reglos auf dem Tisch liegen. »Was will er mit einem Paar U-Bolzen und einem sechs Meter langen Stahlseil?«
Sie schüttelte den Kopf, dann sagte sie: »Aus irgendeinem Grund kribbelt’s dabei im Bauch, vor allem im Zusammenhang mit Darl Vanzandt ... Hast du wirklich vor, Bunny Vogel die Hölle heiß zu machen?«
»Hinterher wird’s noch schlimmer kommen.«
Sie schaute mich an und blickte dann durch das Fliegengitter. Sie wirkte ruhig, wenn auch versonnen und mit Gedanken beschäftigt, an denen sie selten jemanden teilhaben ließ. Ihre Bluse war aus der Jeans gerutscht, und der Babyspeck an ihrer Hüfte quoll über den Bund. »Hast du Lust, mit mir und Pete zu abend zu essen?« fragte sie.
Petes Mutter hatte sich bereit erklärt, ihn für ein paar Tage bei Temple wohnen zu lassen. An diesem Abend aßen wir in einer Cafeteria, dann setzte ich die beiden ab, parkte den Wagen hinter meinem Haus, schaltete die Strahler im Hof ein, schüttete etwas Hafer in Beaus Box und ging mit L. Q.s Revolver, den ich unter dem Regenmantel trug, einmal rund um das Grundstück.
Danach schlief ich oben im zweiten Stock ein. Urgroßpapa Sams Tagebuch lag aufgeschlagen in meinem Schoß, und ich hatte einen wirren Traum, in dem es um zerrissene Stahlseile und röhrende Automotoren ging.
Bunny Vogel trug einen braunen Anzug, ein verwaschenes rosa Golfhemd und Sandalen, als er in den Zeugenstand trat. Er kratzte sich fortwährend mit vier Fingern am Gesicht, als habe sich ein Insekt in seine Wange gebohrt, und starrte in den Zuschauerraum, als halte er Ausschau nach jemandem, der nicht da war.
Ich stellte mich vor die Geschworenenbank, so daß Bunny entweder hinschauen oder den Blick abwenden und den Kopf senken mußte, wenn er meine Fragen beantwortete. Einen Gefallen tat ich ihm damit bestimmt nicht.
»Haben Sie mit Roseanne Hazlitt geschlafen, Bunny?« fragte ich.
»Wir sind auf der Schule miteinander gegangen.«
»Haben Sie mit ihr geschlafen?«
»Ja, Sir.«
»Würden Sie sagen, daß Sie sie geliebt haben?«
»Ja, ich glaub schon. Ich meine, wie das unter jungen Leuten halt so üblich ist.«
»Sie waren in der Oberstufe, und sie war erst fünfzehn, als Sie sie kennengelernt haben, ist das richtig?«
»Ja, Sir.«
»War sie noch Jungfrau?«
»Sie hat mir gesagt, sie wär keine mehr.«
»Aber Sie haben festgestellt, daß es nicht stimmte, nicht wahr?«
Er schob die Finger ineinander, warf einen Blick in den Zuschauerraum, zu den Vanzandts, den Jungs, mit denen er Football gespielt hatte, zu der Mexikanerin, mit der er jetzt ging, auf die wenigen freien Sitzgelegenheiten im hinteren Teil, wo möglicherweise später sein Vater Platz nehmen würde, wenn er noch kam.
»Bunny?«
»Ja, Sir, ich habe festgestellt, daß ich der erste war«, sagte er.
»Sie haben ihr weh getan, nicht wahr? Wollten Sie sie in ein Krankenhaus bringen?«
»Ja, Sir.«
»Aber nicht in dem Bezirk, in dem Sie jemand hätte kennen können?«
Er wandte sich von den Geschworenen ab und räusperte sich. »Das stimmt«, sagte er.
»Der Zeuge möge bitte etwas lauter sprechen«, sagte die Richterin.
»Ich hatte Angst. Sie war noch minderjährig«, sagte Bunny. Er richtete sich auf und rieb sich den Nacken.
»Und dann sind Sie auf die Universität gegangen und haben sie sitzenlassen?« fragte ich.
»Sie hatte genug andere Freunde. Sie hat sich welche gesucht, die viel besser waren als ich.«
»Haben Sie Virgil Morales beim Shorty’s zusammengeschlagen?«
»Ja, wir sind schon früher mal aneinandergeraten.«
»Hat er Sie als Zuhälter bezeichnet?«
Bunny kniff sich mit der rechten Hand in den Schenkel. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ja, das hat er«, sagte er.
»Woher kannte Roseanne Hazlitt Mister und Mrs. Vanzandt, Bunny?«
»Ich hab sie mal zu ihnen nach Hause mitgenommen. Ich habe sie vorge˗«
»Wem haben Sie sie vorgestellt?«
»Wie schon gesagt. Ich hab sie mal zu ihnen mitgenommen.«
Die Worte blieben ihm jetzt fast im Hals stecken, und die Narbe an seinem Unterkiefer war dunkelrot angelaufen und wirkte wie ein Blutstreifen auf der braunen
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