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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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werden wird, und ich weiß nicht, ob ich sie oder Texas jemals wiedersehen werde. Ich habe gehört, daß ein schottischer Sklavenhändler angeblich die wunderbare Hymne »Amazing Grace« geschrieben haben soll. Die Worte »ein Beladener wie ich« haben mir bislang wenig gesagt.
    Ich werde morgen früh durch das Lager drunten bei den Erdhöhlen reiten, damit die Daltons und die Doolins nicht behaupten können, sie hätten keine Gelegenheit gehabt, mich hinterrücks niederzuschießen. Für gewöhnlich hat Emmett die andern im Griff, aber falls er nicht zugegen sein sollte, kann ich mein Dasein hier am Cimarron vielleicht doch noch zu einem halbwegs guten Ende bringen.

31
    Am nächsten Tag rief Marvin Pomroy Virgil Morales erneut in den Zeugenstand und nahm ihn auseinander. Nachdem Marvin sich wieder hingesetzt hatte, warf ich einen Blick zu seinem Tisch. Seine Jacke hing über der Stuhllehne, und das weiße Hemd, über das sich die knallroten Hosenträger spannten, strahlte wie Neuschnee. Er sah, daß ich zu ihm schaute, zog die Augenbrauen hoch und zuckte mit den Achseln. Marvin kannte kein Pardon.
    Während einer Verhandlungspause am Vormittag erhob sich Emma Vanzandt von einer Bank auf dem Korridor und hielt Temple Carrol und mich vor dem Gerichtssaal auf. Darl, der eine graue Hose, ein blaues Sportsakko und eine Goldkette mit einem kleinen goldenen Football trug, die aus seinem Hemdkragen hing, und aussah wie ein mustergültiger Student, blieb hinter ihr sitzen.
    »Haben Sie einen Moment Zeit?« fragte sie. Sie war stark geschminkt, und feine Fältchen zogen sich um ihre Augen- und Mundwinkel, als sie sich ein falsches Lächeln für die Schaulustigen abrang.
    »Tut mir leid«, sagte ich. Am anderen Ende des Korridors sah ich Jack Vanzandt, der sich an einem Verkaufsstand eine Zigarre besorgte.
    Emmas Daumen und Zeigefinger schlössen sich um mein Handgelenk.
    »Tun Sie das nicht«, sagte sie.
    »Was?«
    »Geben Sie Darl nicht die Schuld am Tod des Mädchens.«
    »Er ist nicht der Angeklagte.«
    »Beleidigen Sie mich nicht, Billy Bob.«
    »Ihr Junge wurde noch nie zur Rechenschaft gezogen. Warum lassen Sie ihn nicht wenigstens einmal für sich selbst geradestehen?«
    »Jack hat bereits Vorsorge dafür getroffen, daß er sich in eine therapeutische Einrichtung in Kalifornien begibt. Es handelt sich um eine einjährige stationäre Behandlung. Um Himmels willen, geben Sie uns die Gelegenheit, unsere Probleme selbst zu bereinigen.«
    »Darl ist zu mir nach Hause gekommen. Er hat mir angeboten, seinen Vater preiszugeben«, sagte ich.
    »Er hat angeboten –« Sie wirkte wie erstarrt, so als sei sie unverhofft ins Blitzlicht eines Fotografen geraten.
    »Sie haben ein Monster in Ihrem Haus, Emma. Was immer auch vor diesem Gericht geschehen mag, es wird daran nichts ändern«, sagte ich.
    Temple und ich ließen sie mitten auf dem Korridor stehen. Sie bewegte tonlos die Lippen, während ihr Stiefsohn hinter ihr auf der Bank an den Fingernägeln zupfte.
    Temple und ich begaben uns in den ersten Stock des Gerichtsgebäudes, besorgten uns am Automaten kalte Getränke und tranken sie bei einem hohen Bogenfenster am Ende des Gangs. Der Regen hatte vorübergehend aufgehört, doch die Straßen waren überflutet, und die vorbeifahrenden Autos schleuderten Wasserschwaden auf den Rasen vor dem Gerichtsgebäude.
    »Machst du dir Gedanken wegen dem, was du zu Emma gesagt hast?« fragte Temple.
    »Eigentlich nicht.«
    »Wenn du dir den Kopf darüber zerbrichst, daß du’s Darl anhängst –«
    »Die Geschworenen werden bei Darl kein Motiv erkennen. Wir können ihn allenfalls als Mitwirkenden hinstellen, aber nicht als Hauptschuldigen.«
    Sie schwieg. Ich hörte, wie sie die Aluminiumdose auf dem Heizkörper abstellte.
    »Willst du’s nicht aussprechen?« fragte sie.
    »Bunny Vogel wird einen schweren Tag erleben«, sagte ich.
    »Das ist der Falsche.«
    »Verdammt, ich wünschte, ich könnte es auch so einfach ausdrücken. ›Das ist der Falsche.‹ Große Klasse.«
    Meine Schritte hallten auf dem Holzboden wider, als ich zur Treppe zurückging.
    Sie holte mich auf halber Höhe ein und baute sich mit angewinkelten Armen vor mir auf. Eine kastanienbraune Haarsträhne ringelte sich um ihr Kinn. »Es gibt nur einen Menschen, einen einzigen, der immer zu dir gestanden hat. Tut mir leid, daß ich nicht ein paarmal mit dir gevögelt habe, damit ich mich auch aus der Stadt absetzen kann, ohne dich auch nur einmal anzurufen. Diese Art

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