Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
Haut.
»Haben Sie mit Mrs. Vanzandt sexuell verkehrt?« fragte ich.
»Das gehört nicht zur Sache, Euer Ehren«, sagte Marvin.
»Ich lasse die Frage zu«, sagte die Richterin. »Der Zeuge möge bitte antworten.«
»Einmal. Aber bloß, weil sie wegen irgendwas sauer war. Wegen ihrem Mann, mein ich. Ihr war halt danach«, sagte Bunny.
»Hat Roseanne Sie vor diesem Abend beim Shorty’s schon mal geschlagen?«
»Nein, Sir.«
»Roseanne hat gesagt, wenn sie sich taufen ließe, würde das vielleicht auch auf Sie abfärben. Warum war sie so wütend auf Sie? Warum kam sie sich so ausgenutzt vor?«
»Weil sie keine Freunde mehr hatte. Bis auf Lucas. Er war der einzige, mit dem sie klargekommen ist.«
»Aber sie wollte sich von Ihnen zur Taufe bringen lassen. Weil Sie ihrer Ansicht nach schwere Schuld auf sich geladen hatten, nicht wahr?«
»Ich nehm an, daß sie das so gesehen hat.«
»Inwiefern haben Sie sich schuldig gemacht, Bunny? Warum meinte sie, daß ihre Taufe vielleicht auch auf Sie abfärben könnte?«
Er klemmte die Hände zwischen die Schenkel, tippte nervös mit dem Fuß auf den Boden, ließ den Kopf hängen. Seine langen, mädchenhaften Haare fielen ihm um den Hals.
»Beantworten Sie bitte die Frage«, sagte ich, aber ich hatte die Stimme gesenkt, weil ich nicht gar zu unbarmherzig klingen wollte.
»Ich bin mit ihr nach Dallas gefahren, wo wir uns mit Mister Vanzandt getroffen haben. Er hat drei Zimmer im Four Seasons gemietet, als ob nichts weiter dabei wäre, wenn er mit zwei jungen Leuten zusammen ist. Aber wir haben alle gewußt, worum es ging. Am ersten Abend hab ich sie mit runter in sein Zimmer genommen, und wir haben draußen auf dem Balkon was getrunken, aber ich bin dann wieder gegangen«, sagte er.
Er stützte die Stirn auf die Finger und starrte wie betäubt zu Boden. »Jawohl, das habe ich gemacht«, fügte er dann hinzu, so als sei ihm soeben die Tragweite seines Verhaltens bewußt geworden.
Emma Vanzandt stand auf, ging den Gang entlang und verließ den Gerichtssaal. Ihr Gesicht wirkte wie altes Pergament, das jeden Moment in einer Feuersbrunst verschrumpelt.
»Wie oft haben Sie das gemacht?« fragte ich.
»Sooft er Lust dazu hatte. Jedenfalls bis zu dem Moment, als sie gedacht hat, sie war schwanger, und er gesagt hat, sie soll’s wegmachen lassen, weil er nicht gewollt hat, daß ein fremdes Balg unter seinem Namen rumläuft ...«
Danach wurde es so still im Gerichtssaal, daß man nur noch das Summen der Ventilatoren und den Regen hörte, der auf die Fenstersimse prasselte. Niemand schaute zu Jack Vanzandt, bis auf seinen Sohn, der ihn musterte wie ein unbekanntes Wesen von einem anderen Stern, das ihm zum erstenmal unter die Augen gekommen war.
Fünfzehn Minuten später fiel im ganzen Gerichtsgebäude der Strom aus, worauf Temple, Lucas und ich zu einem hoch über dem Fluß gelegenen Grillrestaurant außerhalb der Stadt fuhren. Es hatte aufgehört zu regnen, der Himmel im Westen war blau, und man konnte die Schatten der Wolken sehen, die über das Hügelland hinwegzogen.
Lucas brachte keinen Bissen herunter. Ich beugte mich über den Tisch und zupfte den blutverkrusteten Fetzen Toilettenpapier ab, den er nach dem Rasieren auf den Schnitt an seiner Wange gepappt hatte.
»Da ist nichts weiter dabei. Sei einfach so wie du bist.«
»So wie ich bin?« sagte er.
Temple schaute mich unverwandt an.
»Du hast mich genau verstanden. Sag die Wahrheit, egal, worum es geht. Sei so wie immer, wenn du in den Zeugenstand trittst. Versuch nichts zu verheimlichen, versuche nicht, auf die Geschworenen einzuwirken, gib keine ausweichenden Antworten«, sagte ich.
»Was wollen Sie mich fragen?«
»Weiß ich noch nicht.«
Er sah aus, als sei ihm speiübel.
»Mach’s so, wie Billy Bob sagt«, sagte Temple.
Er hielt sich die Serviette vor den Mund, stand auf und ging schleunigst zur Herrentoilette.
»Du willst ihn auseinandernehmen, was?« sagte Temple.
Wir warteten in meinem Büro, bis der Stromausfall nach drei Stunden endlich behoben war. Dann rief mich ein Gerichtsdiener an, und wir gingen nach unten, überquerten die Straße und begegneten auf dem Weg zum Gerichtsgebäude Marvin Pomroy.
»Ich muß Sie sprechen«, sagte er zu mir.
»Was gibt’s?«
Er schaute zu Temple und Lucas.
»Es geht bestimmt um was Weltbewegendes, beispielsweise wie man die Parksünder im korruptesten Dreckskaff von ganz Texas zur Kasse bitten kann«, sagte Temple und ging mit Lucas weiter.
Marvin
Weitere Kostenlose Bücher