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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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und schmiß eins nach dem anderen auf den Ladentisch. Als der Karton leer war, öffnete er die Hintertür und schleuderte ihn hinaus in die Gasse.
    »Wir müssen mit ihm reden«, sagte ich.
    »Wozu? Darl interessiert mich nicht.« Er blähte die Nasenflügel auf, als ob es mit einemmal zwanzig Grad kälter geworden wäre.
    »Es dauert nur einen Moment.«
    »Ohne mich. Nein, Sir.«
    Er rückte von mir ab, drehte sich dann um und ging zum Auto zurück.
    Ich holte ihn ein.
    »Was ist los?« fragte ich.
    »Ich laß mich nicht mit Kids aus dem East End ein, das is alles.«
    Er zupfte an einer Schwiele an seiner Hand.
    »Gilt das für alle oder bloß für Darl?«
    »Sie wissen nicht, wie das ist.«
    »Ich bin hier aufgewachsen.«
    »Die schaun auf einen runter. Darl weiß genau, was er machen muß, damit man sich mies vorkommt.«
    »Zum Beispiel?«
    »Im Werkunterricht in der Oberstufe hat er in der Gießerei chinesische Sterne gemacht, diese Kampfsportdinger, die man auf die Leute wirft und mit denen man ihnen die Augen ausstechen kann. Darl hat grade die Gußform fertig, als ein anderer Junge herkommt und sagt: ›Ich muß meine Briefkastenanhänger gießen, sonst krieg ich keine Benotung‹, und Darl sagt: ›Du kriegst n S für Schlurch. Und jetzt hau ab‹.
    ›Was ist ein Schlurch?‹ fragt der andere Junge.
    ›Hast du daheim keinen Spiegel?‹ erwidert Darl.
    Nach der Schule schnappt sich Darl den Jungen vor allen andern und sagt: ›Hey, ein Schlurch is jemand, dem einer abgeht,-wenn er bei Mädchen am Fahrradsattel schnüffelt. Aber ich hab dir unrecht getan. Du kriegst kein S. Du kriegst ein F für Futzel. Das is jemand, der in die Badewanne furzt und die Blasen schlürft.‹«
    Lucas’ Wangen waren fleckig rot angelaufen.
    »Würde Darl ein Mädchen zusammenschlagen, Lucas?«
    »Mein Vater braucht mich wieder auf dem Feld«, erwiderte.
    An diesem Abend öffnete ich sämtliche Fenster im zweiten Stock meines Hauses und ließ den Wind durchziehen, der nach Luzernen roch, nach dem Regen in der Ferne, nach Ozon und dem Staub, der von den Feldern aufgewirbelt wurde.
    Eine hallende Stille schien über dem ganzen Haus zu liegen. Ich stand neben dem von Hand geschnitzten Himmelbett, das einst meinen Eltern gehört hatte, hatte die Finger am Telefon und schaute über das Scheunendach hinweg zur Windmühle und den Feldern, die zu dem lehmigen Steilufer über dem Fluß hinabführten. Wetterleuchten flackerte über einem grünen Hügel im Westen.
    Ich wählte Mary Beth Sweeneys Nummer.
    »Was dagegen, daß ich anrufe?« fragte ich.
    »Ich bin froh darüber.«
    Ich hörte, wie es in der Leitung summte.
    »Ich kenne ein mexikanisches Restaurant, in dem man essen kann wie im Paradies«, sagte ich.
    »Darüber sollten wir lieber morgen reden.«
    »Klar.«
    »Tut mir leid, ich habe das nicht so gemeint... Dieser mexikanische Drogenfahnder, mit dem Sie geredet haben, ist ein Scheißkerl. Passen Sie auf sich auf, Cowboy.«
    Paß selber auf. Du bist für die Regierung tätig, Mary Beth, sagte ich mir, als ich den Hörer auflegte.
    In dieser Nacht hörte ich das vordere Scheunentor im Wind schlagen. Ich drehte mich um und schlief weiter. Dann fiel mir ein, daß ich das vordere Tor geschlossen und den Querbalken vorgelegt hatte. Ich zog eine Khakihose an, nahm die Taschenlampe von der Veranda mit, richtete den Strahl schräg nach vorn und ging über den Hof.
    Der eine Torflügel schwang knarrend im Wind und knallte dann laut zu. Ich wollte den anderen gerade dagegendrücken, schaute dann zwischen den Boxen hindurch zu der Koppel am anderen Ende der Scheune und sah, wie mein Morgan mit stierem Blick im Kreis trabte, außer sich vor Angst, vor jedem Papierfetzen scheute, den der Wind im Mondschein vorbeiwirbelte.
    »Was ist los, Beau? Normalerweise macht dir doch ein Unwetter nichts aus«, sagte ich.
    Ich führte ihn in die Scheune und streichelte ihn am Kopf, schloß die Tür hinter ihm, schraubte das Glas mit den Hafer- und Melassekugeln auf und kippte ihm ein gutes Dutzend in den Trog an der Stirnwand seiner Box.
    Dann sah ich den Schnitt, der sich vom Widerrist schräg nach unten zog, so als habe jemand mit einem scharfen Gegenstand auf ihn eingedroschen.
    Er zuckte und zitterte am ganzen Leib, als ich die Hand neben die Wunde legte.
    »Wer hat dir das angetan, Beau?« sagte ich.
    Die Scheunenlampen flimmerten in der feuchten Luft, und Staubfäden tanzten im Lichtschein.
    Am nächsten Tag fuhr ich um acht Uhr morgens hinaus an

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