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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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getrocknetem Schweiß verklebt. Eine Schubkarre voller Kompost, in dem etliche Rechen und eine Schaufel steckten, stand im Vorgarten. Die Wand unter Lucas Fenster war mit weißer Farbe überstrichen.
    »Ist Lucas da?« fragte ich.
    »Der is mit dem Pickup in die Stadt gefahren.«
    »Hat der Sheriff irgendwas wegen der Kids unternommen, die Ihren Rasen ruiniert haben?«
    »Der Fettsack is doch froh, wenn er allein aufs Klo und wieder runter kommt.«
    »Ist Lucas im Poolsalon?«
    »Nein, in der Baptistenkirche gibt’s heut abend Freibier.«
    »Es war mir wie immer ein Vergnügen, Vernon.«
    Aber Vernon hatte auch eine andere Seite, und daher nahm ich es mir nicht heraus, ihn einfach zu verurteilen und abzulehnen. Ich war schon fast auf der Straße, als er aufstand, mir nachrief und herunterkam. Er zog eine Stoffmütze aus der Gesäßtasche, schlenkerte sie auf und schlug sich damit an den Schenkel, als bringe er es nicht über sich, seine Angst, seine Liebe und seine Abhängigkeit von anderen einzugestehen.
    »Was für Chancen hat er? Aber lüg mich nicht an«, sagte er.
    »Im Augenblick sieht’s nicht besonders gut aus.«
    »Es is nicht richtig ... Eins schwör ich, wenn sie den Jungen ins Gefängnis stecken ...« Er schniefte laut. »Ich hab in Vietnam Menschen umgebracht, die mir nix getan haben.«
    »An so was würd ich gar nicht erst denken, Vernon.«
    »Verflucht, immerzu mußt du auf dem hohen Roß hocken. Entschuldige die Frage, aber mit welchem Recht spielst du dich hier als der liebe Gott auf?« sagte er und ging ins Haus.
    Gegen Vernon Smothers kann man nicht an.
    Ich fuhr in die Stadt und parkte vor dem Poolsalon, einem unscheinbaren, einstöckigen Gebäude, das über hundert Jahre alt war. In den Gehsteig, der auf Pfählen stand und unter hölzernen Kolonnaden hindurchführte, waren Eisenstangen zum Anbinden der Pferde eingelassen. Die Decke des Lokals war mit gehämmertem Blech verkleidet, die Eichendielen waren so wuchtig wie Eisenbahnschwellen. Die Bar hatte einen Handlauf und Spucknäpfe, Karten- und Dominotische standen herum, daneben ein alter Holzofen, und hinten im Gang befand sich die Toilette mit dem hoch an der Wand hängenden Wasserbehälter.
    Weit hinten, am anderen Ende der Pooltische, sah ich Lucas stehen, der gerade sein Queue einkreidete und einen Schluck Bier trank. Er trug eine graue Flanellhose, Halbschuhe, ein tadellos gebügeltes lavendelfarbenes Oberhemd und hatte Gel in den Haaren.
    »Komm mit raus«, sagte ich.
    »Jetzt gleich?«
    »Hier drin sind lauter Mandanten von mir ... Ich habe keine Lust auf Arbeit.«
    Er schaute mich mit verkniffener Miene an. »Was ist los?« fragte er.
    Es war kühl draußen. Vögel schwirrten um die immergrünen Eichen auf dem Rasen vor dem Gerichtsgebäude, die im Sonnenuntergang goldrot aufleuchteten.
    »Bist zu mit jemandem verabredet?« fragte ich.
    »Ich soll bei jemand wegen einem Job vorsprechen«, sagte er.
    »Komm mit zu meinem Auto. Ich will dir was zeigen.«
    Als er die Tür öffnete, sah er die zwölfsaitige Gitarre am Beifahrersitz lehnen.
    »Mann, wo haben Sie die denn her?« fragte er.
    »Von einem Mandanten. Ich komm damit hinten und vorne nicht zurecht. Willst du sie haben?«
    »Was?«
    »Sie gehört dir. Besser so, als daß ich damit Fliegen totschlage.«
    Er griff um den Hals und riß mit dem Daumennagel die Saiten an.
    »Mann, hat die einen Klang. Mister Holland, dafür haben Sie einiges gut.«
    »Mach dir darüber keine Gedanken. Aber hör mal, wer waren die Kids, die euch den Rasen ruiniert haben?«
    »Mein Vater und ich haben das wieder in Ordnung gebracht. Mit denen will ich nichts zu tun haben.«
    »Hör mir mal zu. Ich weiß nicht, wieso jemand...«Ich schüttelte den Kopf und fing noch mal von vorne an. »Vielleicht haben sie zuviel Geld, vielleicht sind sie einfach nur boshaft, aber es ist wichtig, daß du verstehst, wer und was du bist... Manchmal sehen wir nur die Reaktionen anderer auf uns und meinen, wir wären so, wie sie uns wahrnehmen, aber in Wahrheit sind wir weitaus besser.«
    »Sie meinen es gut, Mister Holland. Aber ich möchte nicht drüber reden.«
    »Wie du willst. Aber du bist ein Künstler, das ist eine echte Gottesgabe, Lucas. Manche Menschen werden dich stets um dein Talent beneiden und dich hassen.«
    Er drehte die Gitarre um, strich über den Schallkörper aus glänzendem Mahagoni und Walnußholz und über das Dach aus Fichte.
    »Komisch, genau so eine habe ich in Ella Maes Pfandleihhaus gesehen. Sie

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