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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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in dem es so korrupt zugeht, daß ich mich einem Strafverteidiger anvertrauen muß, der mit seinem Pferd in Bars reitet. Es ist eine hundserbärmliche Situation, das versichere ich Ihnen«, sagte er.
    »Danke, Marvin. Der Gerichtsmediziner ist also der Meinung, daß Jimmy Cole in einem Schweinekoben erstickt wurde?«
    »So was würde Moon einem alten Freund nicht antun. Er hat ihm einen Eispfriem in den Kopf gestoßen.«
    Nach der Arbeit holte ich den Rechen, die Gartenschere und einen Jutesack aus der Scheune und ging zum Friedhof unserer Familie, der auf der anderen Seite des Weihers lag. Er war von einem Zaun aus Zedernholzbalken umgeben, die mein Vater vor dreißig Jahren eigenhändig geschält, abgehobelt und zurechtgehauen hatte und die von Sandsteinpfosten gehalten wurden – ein Jahr, bevor er in das Einstiegsloch zu einer Erdgaspipeline hinabgeklettert war, um ein Leck an einer kalten Schweißnaht abzudichten.
    Jedes Jahr hatte er bei der medizinischen Untersuchung geschummelt oder jemand anderen hingeschickt, weil er, wie viele Pipelineschweißer, durch den ständigen Funkenflug bei der Arbeit lauter winzige Brandlöcher in der Hornhaut hatte. Meine Mutter sagte immer, sein Augenlicht sei so schlecht, daß er eigentlich nur noch etwas sehen könne, wenn er den Schweißstab an das Eisenrohr hielt und in die Flamme schaute, die für ihn ebenso rein war wie der Klang der Kirchenglocken für den tauben Glöckner Quasimodo.
    Mein Vater sah nicht, wie der Lehrling, der bei ihm war, ein Zippo aus seiner Khakihose zog und sich eine Zigarette anzündete. Die Explosion war so heftig, daß sämtliche Fenster aus dem Schweißlastwagen flogen, als wären sie aus Zuckerguß gemacht.
    Meine Mutter, die Bibliothekarin und Grundschullehrerin gewesen war, lag an seiner Seite. Nach dem Tod meines Vaters hatte sie einen schlichten Grabstein für sie beide gekauft, seinen Namen wie auch ihren darauf einmeißeln lassen, samt Geburtsdatum und Gedankenstrich, so daß nur noch Jahr und Tag ihres Todes hinzugefügt werden mußten.
    Ich rechte ihre und Urgroßpapa Sams Gräber, anschließend die der anderen Hollands, die hier begraben waren, stutzte das Gras um die Grabsteine und jätete die Rosenbeete, die ich unter den Zedernholzbalken angelegt hatte. Dann pflückte ich einen Strauß wilder Blumen auf dem Feld und legte ihn auf das Grab meiner Eltern, schnitt eine gelbe Rose ab und lehnte sie an Urgroßpapa Sams Grabstein.
    Das Gras wogte wie junger Weizen im warmen Wind, der über das Feld strich, und ich konnte den Fluß riechen, die Bewässerungsgräben und die von der Sonnenglut festgebackene Erde auf dem zerfurchten Weg, über den einst der Chisholm Trail geführt hatte. Die Schritte hinter mir hörte ich nicht.
    »Ich habe Sie vom Haus aus gesehen«, sagte Mary Beth. Sie trug eine braune Hose mit hoch angesetzten Taschen, Sandalen und eine magentarote Bluse, und in der rechten Hand hatte sie einen Picknickkorb.
    »Wie geht’s, meine Schöne?«
    »Schöne? Sie sind vielleicht ein Herzchen.«
    »Haben Sie rausgekriegt, wer die Jungs in dem Streifenwagen waren?«
    »Suchen Sie sich jemanden aus.«
    »Vielleicht wird es Zeit, daß Ihre Leute Sie abziehen.«
    »Thema beendet. Mögen Sie Brathühnchen?«
    »Na klar.«
    Wir gingen quer über das Feld zu einem Eichenwäldchen am Steilufer über dem Fluß. Sie breitete eine karierte Tischdecke im Gras aus, legte die Bestecke hin, packte kleine Salz- und Pfefferstreuer aus, Putensandwiches mit Käse, Guacamole, Kartoffelsalat und eine Thermoskanne mit Limonade. Die Haare hingen ihr über die Wangen, als sie sorgfältig ein Stück Fleisch nach dem anderen auf die Pappteller legte.
    »Ich kriege gleich Komplexe«, sagte sie.
    »Sie sehen großartig aus, Mary Beth.«
    Sie kniff die Augenwinkel zusammen. Ich stand jetzt am Rand des karierten Tischtuchs. Ihr Gesicht war unmittelbar vor mir, als sie sich aufrichtete. Ich faßte ihr in die Haare, küßte sie auf den Mund. Sie schaute mich an, schloß dann die Augen, legte mir die Arme um den Rücken, und ich spürte ihre Brüste und die heiße Wange, als sie sich an mich schmiegte.
    Und mit einemmal stand ich wieder vor der alten Frage, wie man als Mann halbwegs Würde bewahren soll, wenn man eine Frau im Stehen liebt. Wir setzten uns ins Gras, und ich zog sie herunter, so daß ihr Kopf auf dem karierten Tischtuch lag, und küßte sie wieder. Der Wind wehte über den Fluß, strich durch das Gras am Ufer, und die Wolken, die sich im Westen

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