Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
auftürmten, waren lilarot und wie von Flammen gesäumt. Ich schaute ihr in die Augen.
Hinter mir hörte ich Huftritte auf dem dürren Eichenlaub. Ich drehte mich um und sah Beau, meinen Morgan, der im Schatten auf uns zukam, und einen kleinen Jungen, der ihn ohne Sattel ritt und dessen Haare wie eine weiche Bürste wirkten.
»Hallo! Was macht ihr denn hier?« fragte er und stieß einen Ast vor seinem Gesicht weg.
»Hey, Pete, was gibt’s?« sagte ich, als ich wieder zu Atem gekommen war.
»Gehn wir trotzdem noch angeln?«
»So was laß ich mir doch nicht entgehen, Kumpel. Willst du ein Stück Huhn? Das ist übrigens Mary Beth.«
Er grinste sie an. Er trug eine Latzhose und saß barfuß und breitbeinig auf Beaus Rücken.
»Ich hab schon gegessen«, sagte er.
»Wir haben auch Limonade«, sagte sie. Sie setzte sich auf und stützte sich mit dem Arm ab.
»Ist schon gut. Ich stör euch bloß.«
»Das hätte ich dir schon gesagt, meinst du nicht?« erwiderte ich.
Er grinste nach wie vor, schlug sich mit den Zügeln auf den Handrücken.
»Ich bring Beau zurück«, sagte er.
»Billy Bob hat mir allerhand von dir erzählt, Pete. Ich fänd’s schön, wenn du dich zu uns setzt«, sagte Mary Beth.
Er wandte den Blick von ihr ab, grinste immer noch und rutschte dann von Beaus Rücken.
»Das ist der schlauste kleine Kerl weit und breit«, sagte ich.
»Ich hab gewußt, daß du das sagst«, meinte er.
An diesem Abend fuhr ich zu dem Gemischtwarenladen unten an der Straße und kaufte mir eine Packung Milch. Der Laden lag auf einer Hügelkuppe, unmittelbar neben einem Maisfeld. Der große betonierte Parkplatz und die Zapfsäulen waren in helles, rotweißes Licht getaucht, und in den Fenstern hing verschnörkelte Neonreklame, doch außen herum war alles stockdunkel. Hier trafen sich auch die Kids aus dem East End, wenn sie auf der Hauptstraße durch die Stadt kutschierten.
Ihre Wagen standen bei der Telefonzelle. Sie hatten die Türen geöffnet, damit der Wind durchziehen konnte, und der Betonboden lag bereits voller Bierdosen, Papierservietten und Zigarettenkippen, so als hätten sie sämtliche Aschenbecher in ihren Autos ausgeleert.
Als ich zu meinem Wagen zurückging, stieg Darl Yanzandt aus der Beifahrertür seines kirschroten, tiefgelegten 1932er Ford und kam mir mit stierem Blick entgegen. Er trank den Schaum von einer Flasche Pearl-Bier ab und schmiß sie in die Dunkelheit. Als ich an ihm vorbeigehen wollte, verstellte er mir den Weg, baute sich vor mir auf, markierte vor den anderen, die sich hinter ihm zusammengerottet hatten, den starken Mann.
»Hi, mein Guter«, sagte ich.
»Sie haben meine Freunde angemacht. Und jetzt machen Sie auch noch meine Stiefmutter an«, sagte er.
»Stimmt nicht.«
»Sie wollen mich in den Knast bringen. Und alles bloß wegen dem Penner, diesem Lucas Smothers«, sagte er.
»Gute Nacht«, erwiderte ich.
Aber er baute sich erneut vor mir auf, stieß mir die ausgestreckten Finger in die Brust, dann noch einmal, drückte fester zu und knirschte dabei mit den Zähnen.
»Lassen Sie das, Darl«, sagte ich.
Er grinste mich grimmig an, hatte die Nase leicht gerümpft, doch ich sah ihm an den Augen an, daß er hin und her gerissen war zwischen Angst und Abscheu. Ich schaute zu Boden, worauf er süffisant lächelte.
Er schlug mir die Milch aus der Hand. Sie spritzte nach allen Seiten davon, als der Karton auf dem Beton zerplatzte.
Ich wich zurück, machte einen weiten Bogen um ihn und ging zu meinem Wagen.
Ich hörte, wie er hinter mir herkam. Er wollte sich gerade auf mich stürzen, als ich den Ellbogen hochzog und ihm in die Nase rammte.
Er krümmte sich vornüber und schlug die Hände vors Gesicht, die sofort voller Blut waren. Dann stand Bunny Vogel neben ihm, legte ihm den Arm um die Schulter und drückte ihm ein zusammengeknülltes T-Shirt an die Nase.
»Ich besorg dir Eis, dann gehn wir nach Hause. Gebrochen ist sie nicht. Wenn sie gebrochen ist, ist das Blut viel dunkler«, sagte er.
»Sagen Sie seinem Vater Bescheid, was hier vorgefallen ist«, sagte ich.
»Ich sag dazu überhaupt nichts.«
»Schon komisch, daß Sie nach wie vor zu jemandem stehen, der Sie um einen Profivertrag gebracht hat. Ich frage mich bloß, warum«, sagte ich.
Er führte Darl zu den geparkten Autos. Dann drehte er sich noch einmal um und schaute mich an, als sei ihm gerade klargeworden, daß ihm die Zukunft nichts anderes zu bieten hatte als die Vergangenheit.
12
Am nächsten Morgen las
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