Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
er ernst und wich meinem Blick aus.
»Eines Tages muß ich dich verlassen, mein Guter«, sagte er.
Ein fetter Mann, der sich ein Handtuch um den Unterleib geschlungen hatte, öffnete die Tür zum Dampfbad und kam herein. L. Q. setzte seinen Hut auf und ging zur hinteren Wand, wo sich die Kacheln in einem Strudel auflösten, in dem nasser Sand wirbelte.
Ich duschte mich und ging zurück zu meinem Spind im Umkleideraum, ertappte mich dann dabei, wie ich einen Blick auf den Wandspiegel neben mir warf und mein Ebenbild musterte -die gleichen rötlich blonden Haare wie Lucas, die gleiche Statur und mit einsfünfundachtzig in etwa die gleiche Größe. Ich sah die runzlige weiße Narbe an meinem rechten Oberarm, wo mich in der Nacjit, in der L. Q. starb, eine Kugel getroffen hatte, die lange, genähte Schramme oben auf meinem Fuß, die ich mir zugezogen hatte, als er mich aus dem brennenden Gras gezerrt und mit mir davongesprengt war, während die Leuchtspurgeschosse in der Dunkelheit über unsere Köpfe hinwegzischten.
Ich war jetzt einundvierzig und hatte seit der Zeit, als ich Streifenpolizist in Houston gewesen war, nur knapp fünf Kilo zugelegt. Ich konnte nach wie vor hundert Kilo stemmen und brachte immer noch mit Leichtigkeit dreißig Liegestütze zustande.
Aber ich wußte auch, daß hinter dem selbstgefälligen Blick, mit dem ich mich musterte, die pure Eitelkeit steckte. Daß ich mich aufführte wie ein Schuljunge, der in aller Öffentlichkeit heruntergeputzt worden ist, kritisch sein Spiegelbild betrachtet und etwas sucht, auf das er stolz sein kann.
Ich stopfte meine verschwitzten Turnsachen in die Trainingstasche und fuhr hinaus zur alten Hart-Ranch.
Sie lag zwischen zwei langgestreckten Hügeln, und man kam nur über einen holprigen Fahrweg hin, der sich durch einen dichten Wald schlängelte und voller Kiefernnadeln und abgefallenem Laub lag. Das Tor am Viehgatter war mit einer Kette verschlossen und mit gelbem Absperrband umwickelt. Ich kletterte durch den Stacheldrahtzaun und ging etwa eine viertel Meile, bis ich auf eine Lichtung stieß, auf der grünes Gras und zahllose wilde Blumen wuchsen.
Das Ranchhaus, in den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts im viktorianischen Stil erbaut, mit einer breiten, von Säulen gesäumten Veranda und Buntglasfenstern, war verwittert und sah aus wie alte Pappe. Das Dach war abgebrannt, und an den Nebengebäuden und der Windmühle hatten sich Steppenhexen verfangen.
Ich ging den Bachlauf entlang bis zum Fuß des anderen Hügels, lief zurück, bis ich wieder im Kiefernwald war, schritt die Lichtung ab und spazierte dann zum Flußufer, das unmittelbar gegenüber der Ranch steil abfiel.
Ich stieß auf einen kleinen Friedhof, offenbar von den ersten Siedlern angelegt, denn die Inschriften auf den schlichten Feldsteinen stammten allesamt aus den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, auf ein verrostetes Lokomobil, das halb im Bachbett lag, auf einen eingesunkenen, überwucherten Abfallhaufen, den vermutlich Holzfäller hinterlassen hatten, vielleicht auch arbeitslose Jugendliche, die man in den dreißiger Jahren dienstverpflichtet hatte, auf eine kaputte Bogensäge, die noch in einem Baumstamm steckte. Ich entdeckte Hirsch-, Waschbär-, Opossum- und Pumafährten, aber keinerlei Spuren, die von Menschen herrührten, von der Stelle einmal abgesehen, wo man unter den brennenden Gummireifen die verkohlte Leiche von Jimmy Cole gefunden hatte.
Es war ein herrlicher Tag. Der Himmel war blau, und die Bäume auf den Hügeln standen in vollem Laub. Ich hob einen Stein auf und schmiß ihn auf die Überreste des verlassenen Hauses, wo er scheppernd in dem hohlen Gemäuer landete.
Ein Schwein stürmte aus der Hintertür und rannte quer über den Hof, an der Windmühle und der eingefallenen Scheune vorbei, und verschwand in einem Kieferngehölz.
Ich lief etwa fünf Minuten hinter ihm her, bis ich wieder in die Sonne kam und sieben weitere Tiere sah, die sich in einem Sumpfloch suhlten – wilde Schweine offenbar, rostrot, voller Schlamm, mit feucht glitzernden Schnauzen.
Mitten in dem Sumpfloch lag eine Ricke, die Hinterläufe abgespreizt, die Bauchdecke aufgerissen, der Kopf von Tausenden Insekten umschwärmt.
Die Suhle war aufgewühlt, voller grünem Schweinekot, auf dem eine dünne Schicht Wasser stand. Auf der anderen Seite, dort, wo der Schlamm in der Sonne getrocknet war, sah ich die Fußspuren von mindestens drei Menschen.
Der Sheriff beugte sich über den
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