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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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du ganz schön.«
    Ich strich ihm über die Haare, die sich weich und zugleich steif wie eine Bürste anfühlten. Die beiden Wagen bogen in eine unbefestigte Gasse ein und wirbelten eine Staubwolke auf, die über die Wäsche hinwegzog, die hinter einer Reihe von Bretterhütten aufgehängt war.

14
    Der typische Isolationstrakt in einem Gefängnis ist ein surrealer Ort – lautlos, nichts als blanke Mauern und massive Eisentüren –, an dem es keinerlei Unterschied zwischen Tag und Nacht gibt. Die Häftlinge, die hier eingeschlossen sind, befinden sich in der denkbar schlechtesten Gesellschaft – sie sind mit ihren Gedanken allein.
    Aber Angst und Schuldgefühle können einen auch zerfressen, wenn man auf freiem Fuß ist.
    Bunny Vogel fuhr mit seinem braunen, auffrisierten 55er Chevy zweimal an meinem Haus vorbei, ehe er den Mut aufbrachte, in meine Auffahrt einzubiegen und zu dem Hühnerhof hinter dem Haus zu laufen, wo ich mit einem Apfelkorb Eier einsammelte.
    Er trug ein offenes Seidenhemd, Jeans und Römersandalen ohne Socken, und die Spitzen seiner zerzausten bronzefarbenen Haare leuchteten in der tiefstehenden Sonne. Mit seinem klassischen Profil und der wie geöltes Leder glänzenden Bauchmuskulatur wirkte er wie ein männliches Model für das Umschlagbild eines Liebesromans, wenn da nicht die tiefe Narbe gewesen wäre, die sich wie ein rosiger Wurm an seinem Unterkiefer entlangzog.
    »Ziemlich hübscher Wagen«, sagte ich.
    »Wissen Sie noch, was Sie an dem Abend gesagt haben, als Sie Darl die Nase gebrochen haben? Daß ich nach wie vor zu jemandem stehe, der mich um meinen Profivertrag gebracht hat?«
    »Ich wollte Sie nicht beleidigen, Bunny.«
    Er stieß den Atem aus. »Ich glaube, Sie versuchen einfach jedem irgendwas anzuhängen. Aber nicht mit mir, Mister Holland«, sagte er.
    »Möchten Sie reinkommen?«
    »Nein ... Der alte Schwarze draußen beim Shorty’s hat Ihnen doch erzählt, daß Roseanne an dem Abend, an dem sie umgebracht wurde, jemandem auf dem Parkplatz eine geknallt hat.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Darl hat gehört, wie der Alte über Sie geredet hat. Also hat er ihn sich ein bißchen zur Brust genommen.«
    »Das ist vielleicht ein Typ. Ich glaube, so einer ist mir noch nie untergekommen.«
    »Ich war derjenige, dem sie eine geknallt hat. Ich hab nichts mehr zu verbergen.«
    Ich las ein braunes Ei auf, das hinter einem Traktorreifen lag, und packte es in den Korb. Ich schaute ihn nicht an. In der Stille konnte ich seine Atemzüge hören.
    »Aber das war, als ich gegangen bin. Danach hab ich weder Roseanne noch Darl oder einen der andern noch mal gesehen. Mit dem, was später passiert ist, hab ich nix zu tun«, sagte er.
    »Wer dann?«
    »Ich weiß es nicht, Mister Holland, das ist die reine Wahrheit.«
    »Sie haben mir doch erzählt, daß Sie nichts mit Roseanne hatten, Bunny.«
    Er ließ die Hände herabhängen und ballte die Fäuste, so daß die Adern an seinen Unterarmen prall hervortraten. Dann lief er rot an, und seine Augen trübten sich vor Scham.
    »Verdammt ich hab gewußt, daß das noch eine Riesensauerei gibt«, sagte er.
    Er erzählte mir folgende Geschichte.
    Er war in der letzten Klasse der High-School, spielte in der Schulauswahl und war so unwiderstehlich schnell und laufstark, daß die gegnerischen Abwehrspieler nur noch ungläubig und manchmal auch blutend hinter ihm herschauen konnten. Er bemerkte sie zum erstenmal, als sie ihm von der leeren Tribüne aus beim Training zusah.
    Er konnte sich noch genau an den milden, goldenen Nachmittag erinnern, an dem er zu ihr hingegangen war, mit knirschenden Stollen die Aschenbahn überquerte und ihr den Football zuwarf. Seiner Meinung nach war das ein schlauer Trick, weil man damit bei den meisten Mädchen das Eis brach, weil sie darauf immer schüchtern und hilflos reagierten.
    Sie warf den Ball mit beiden Händen so scharf zurück, daß er sich ducken mußte, damit er ihn nicht im Gesicht traf. Dann öffnete sie ihre Puderdose und trug Lippenstift auf, als sei er gar nicht da.
    »Wie alt bist du eigentlich?« fragte er.
    »Fünfzehn. Hast du was gegen Fünfzehnjährige?« Sie preßte die Knie zusammen und schwenkte die Beine hin und her.
    Er warf einen Blick nach hinten, auf die Reservespieler, die voll aufs Training konzentriert waren, die gepolsterten Schultern ineinander rammten und Spielzüge einstudierten, die sie in einem Punktspiel niemals würden zeigen dürfen.
    »Hast du Lust, heut abend mit ins Kino zu gehen?«

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