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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Austin, kannte sein Publikum genau, und so etwas ließ er nicht durchgehen. Er griff zum Mikrofon und sagte: »Der Junge kann was, nicht wahr? Das war beinah besser als die Bratkartoffeln von meiner Mutter ...« Er streckte den Arm aus und deutete auf die Band. »Lucas Smothers aus Deaf Smith! Wie wär’s, wenn ihr ihm und der ganzen Band mal tüchtig Beifall klatscht?«
    Am lautesten applaudierte Darl Vanzandt, der weit hinten im Publikum stand und einen Klecks Zuckerwatte am Mundwinkel kleben hatte. Drei Mädchen, alle ein bißchen jünger als er, waren bei ihm. Als die Band eine Pause machte, tippte er dem einen Mädchen an die Schulter, worauf sie und ihre beiden Freundinnen zur Bühne gingen und aufgeregt auf Lucas einredeten.
    »Worüber denkst du nach?« fragte Pete.
    »Ach, nichts weiter«, sagte ich und strich ihm mit der Hand über den Stoppelkopf.
    »Laß gut sein, Billy Bob. Er kommt schon klar«, sagte Mary Beth.
    »Nein, kommt er nicht«, erwiderte ich.
    Sie schaute mich an, folgte dann meinem Blick und sah Garland T. Moon, der auf einer zur Bühne führenden Laderampe saß, eine Eistüte in der Hand hatte, die er langsam zusammendrückte und oben ableckte. Darl Vanzandt zeigte ihm den hochgereckten Daumen.
    Etwas später sah ich von der Tribüne aus, wie Moon den Mittelgang entlangspazierte, vor sich hin lächelte, beifällig das Publikum musterte, als wäre er einer von uns, ein Mitglied unserer Gemeinde, das den Tag genoß. Er kaufte sich bei einem fliegenden Händler eine weitere Tüte Erdbeereis und biß hinein wie ein hungriger Mann in eine frische Frucht. Er faßte einem kleinen Mädchen an die Zöpfe, drückte seinen Unterleib an eine Frau, trat einen Schritt zurück und schaute sie betont unterwürfig und um Verzeihung heischend an.
    »Bin gleich wieder da«, sagte ich.
    »Billy Bob?« sagte Mary Beth.
    Moon verschwand durch den Seitenausgang der Tribüne und ging zu einem langen, flachen Betonbau, der bei Indianertreffen, Rodeos und Volksfesten als öffentliche Dusche und Männertoilette diente. Ein paar Jugendliche standen an den Urinalen, aber Garland T. Moon war nirgendwo zu sehen.
    Ich ging über die am Boden ausgelegten Bretter an den Kabinen vorbei, bis ich unter einer Toilettentür ein Paar Cowboystiefel aus Plastik sah und jemanden lauthals husten hörte. Auf dem Lattenrost neben den Stiefeln lag eine zerplatzte Tüte Erdbeereis.
    Ich hatte schon alles lebhaft vor Augen – wie ich ihm die Tür ins Gesicht knallte, die Faust mitten auf die Nase drosch, mit den Stiefeln auf ihn eintrat, wenn er am Boden lag.
    Doch es kam alles ganz anders.
    Als ich die Tür aufstieß, sah ich, daß es den Mann, den ich vor mir hatte, innerlich förmlich zerriß. Er war über die Toilettenschüssel gebeugt, stemmte sich mit beiden Händen an der Wand ab, würgte sich die Seele aus dem Leib und spie einen schwarzen Blutschwall aus.
    »Halten Sie durch, Moon. Ich hole die Sanitäter«, sagte ich.
    Der Sanitätswagen stand neben dem Eingang zur Arena. Ich lief neben ihm her, lotste ihn zu dem Betonbau und sah zu, wie die beiden Sanitäter Moon auf einer Bahre herauskarrten. Er hatte ein weißes Handtuch um den Hals, das sich ein ums andere Mal rot färbte, wenn er hustete.
    »Kennen Sie den Mann?« fragte mich einer der Sanitäter.
    »Eigentlich nicht«, sagte ich.
    »Aber ja doch. Man könnte sagen, ich bin ein alter Freund der Familie«, sagte Moon.
    »Sie sind alles andere als schlau, Moon«, erwiderte ich.
    Er verzog das Gesicht, hob die Hand und packte mich mit erstaunlicher Kraft am Unterarm.
    »Das hier ändert gar nix. Eines Tages erzähl ich Ihnen mal was. Danach kommen Sie sich vor wie ein Hund, der über Glasscherben läuft«, sagte er.

20
    Am Montag morgen telefonierte ich mit Marvin Pomroy. Die Bäume auf dem Rasen vor dem Gerichtsgebäude auf der anderen Straßenseite standen grellgrün in der Sonne, und ich konnte einen Häftling in weißer Gefängniskluft sehen, der hinter einem Gitterfenster im obersten Stockwerk eine Zigarette rauchte.
    »Der Arzt sagt, Moon sieht aus, als ob er innerlich von Ratten zernagt worden wäre. Haben Sie gewußt, daß ihm jemand eine Dose Rano in den Schlund gegossen hat, als er in jungen Jahren in Sugarland gesessen hat?« fragte Marvin.
    »War Moon ein Spitzel?«
    »Ich bezweifle es. Vermutlich hat er nicht gespurt. Aber das ist nicht der Grund für seine jetzigen Beschwerden. Er hat Magenkrebs.«
    »Deshalb ist er zurückgekehrt, nicht wahr? Das ist sein

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