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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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fragte ich.
    »Da droben steht der Name meiner Urgroßmutter, mein Guter.«
    Darl Vanzandts 32er Ford fuhr mit tuckerndem Zwillingsauspuff vorbei. Er ließ sich nicht anmerken, ob er Mary Beth und mich bemerkt hatte. Auf der anderen Straßenseite saß ein Mädchen in Shorts rittlings auf dem Rohr des Geschützes aus dem spanisch-amerikanischen Krieg und hatte die Hände um das Metall geschlungen.
    »Worüber denkst du nach?« fragte Mary Beth.
    »Über gar nichts. Ein großartiges Land«, sagte ich.
    »Machst du dir Sorgen um Lucas?«
    »Wenn’s hart auf hart kommt, fahre ich mit dem Bengel da Schlitten. Und zwar die ganze Straße rauf und runter.«
    Sie schob ihre Hand unter meinen Arm und drückte ihn an sich.
    Am Samstag nachmittag gingen Mary Beth und ich mit Pete zum Rodeo auf dem Festgelände des Bezirks. Der Parkplatz stand voller Pickups und Pferdeanhänger, auf den Zuschauertribünen und Wegen drängten sich die Menschen, und ein dünner, bräunlicher Dunst stieg aus der Arena auf, während ein Trupp berittener Cowboys, über deren Köpfen die amerikanische und die texanische Flagge wehten, an den Tribünen vorbeizog und die Gondeln und Kabinen der Fahrgeschäfte durch die Luft sausten.
    Wir kauften uns Zuckerwatte und Hot dogs und schlenderten an den Pferchen vorbei, an denen Jungs, die kaum die High-School hinter sich hatten, mit hautengen Jeans, weiten Chaps, breitkrempigen schwarzen Stetsons, Kunstseidenhemden, die in allen Regenbogenfarben schillerten, und auf Hochglanz polierten Gürtelschnallen in Grüppchen beisammenstanden oder auf den Gattern hockten.
    Es waren Kids aus dem West End und Arbeiterjungen aus den umliegenden Bezirken, alle mit millimeterkurz gestutzten Haaren, den Nacken von der Sonne verbrannt. Sie warfen sich in Pose und kauten Red Man, schoben sich Priemtabak und Kaugummis in den Mund, klopften Sprüche und gaben sich älter, als sie waren, aber niemand konnte behaupten, daß sie keinen Mut hatten.
    Die Pferde, auf denen sie saßen, schnellten aus den Laufgattern, während der Reiter noch versuchte, die Sporen über den Widerrist zu bringen, die eine Hand hochreckte und dann derart zusammengestaucht wurde, daß man meinte, er breche sich jeden Moment das Steißbein.
    Oder sie ritten wilde Bullen, die förmlich zwischen ihren Beinen explodierten, sobald das Gatter aufging, klammerten sich mit aller Kraft an dem mit scheppernden Kuhglocken behängten Haltegurt fest, während sie einen atemberaubenden Moment lang in der Luft hingen, ehe die Hufe wieder den Boden berührten und der Bulle die Muskeln anspannte, als wolle er ihre Eingeweide zu Brei zerstoßen.
    Sie flogen kopfüber in den Staub, bekamen Tritte ab, wurden eingeklemmt, gegen das Gatter geschleudert, manchmal auch auf die Hörner genommen, die sich in Lunge und Nieren bohrten, und durch die Luft geschleudert wie Stoffpuppen, worauf die Clowns eingriffen, die Footballschuhe trugen, und dem Reiter mit Hilfe eines Gummifasses das Leben zu retten versuchten.
    Die sind doch gar nicht so übel, hätte L. Q. vermutlich gesagt.
    Als wir über das Gelände gingen, sahen wir inmitten der Buden, in denen man Indianerschmuck kaufen konnte, eine Bühne, auf der eine Countryband angetreten war. Ganz hinten stand Lucas Smothers mit seiner blitzenden und funkelnden zwölfsaitigen Gitarre, die er an einem mit Blumen bestickten Gurt um den Hals hängen hatte.
    Soweit ich wußte, war es das erste Mal, daß er seit seiner Festnahme wieder öffentlich auftrat. Die Band legte mit dem »Orange Blossom Special« los, hängte »Bringing in the Georgia Mail« an und leitete dann zu Hank Snows »Golden Rocket« über. Lucas trat nach vorn, hielt seine Gitarre vor ein Mikrofon, das an einem kurzen Stativ angebracht war, und spielte ein Solo, das ebenso herrlich klang, wie es anzuschauen war. Seine linke Hand flitzte über den Steg, auf und ab, unentwegt, ohne auch nur einmal danebenzugreifen, während er mit dem Plektron die Saiten über dem Schalloch anschlug, Doppeloktavakkorde spielte, die sich anhörten, als spiele er Baßgitarre und Mandoline zugleich.
    Keiner der anderen konnte ihm auch nur annähernd das Wasser reichen. Doch als er sein Solo beendete, mit dem auch der Song ausklang, gab es eher bescheidenen, gedämpften Applaus. Ich sah Lucas’ ausdruckslose Miene, sah, wie er zwinkerte, mit einer Hand hinten an seiner Jeanstasche herumfummelte, als könne er seine Enttäuschung dort verbergen.
    Doch der Bandleader, ein anständiger Mann aus

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