Dunkler Sturm - Roman
seine Beute, die gerade das Mietshaus verließ.
»Brillant beobachtet«, erwiderte Morgan sarkastisch.
Jackson grinste seinen Partner an, und seine mit Gold und Diamanten besetzten Zähne blitzten. »Spiel nicht den Klugscheißer, Rotfuchs. Wer ist der alte Knacker?«
»Warum fragst du nicht den Hexer?«
»Das habe ich gehört«, drang Jonas’ Stimme aus Morgans Ohrhörer. »Könnt ihr nahe genug herankommen, damit ich ein Bild kriege, mit dem ich arbeiten kann?«
»Wahrscheinlich könnte ich nah genug rankommen«, erwiderte Jackson. Er besaß die unheimliche Gabe, sich ungesehen bewegen zu können, wenn er wollte. Er wurde zwar nicht unsichtbar, aber man bemerkte ihn einfach nicht, bis er direkt vor einem stand. Das war eine weitere, unerklärliche Nebenwirkung von dem, was sie jetzt nur als »jene Nacht« bezeichneten.
Damals war Jackson ein hartgesottener Teenager gewesen, der in der Bronx geboren und auf den Straßen von New York aufgewachsen war. Er gehörte einer Gang von gewalttätigen jungen Punks an, die die Geißel ihrer Wohnanlagen waren. In »jener Nacht« hatten Jackson und seine Bande zwei Angehörige einer rivalisierenden Gang, wie sie glaubten, bis zu einem entlegenen Gebiet von Hunt’s Point gejagt. Als es Jackson und seinen Leuten schließlich gelang, sie bei einer stillgelegten Fleischverpackungsfabrik in die Enge zu treiben, lernten sie die hässlicheWahrheit kennen. Die beiden Männer waren nur Lockvögel gewesen, die Jacksons Gang mitten in ein Nest von Vampiren geführt hatten. Diese Kreaturen schlugen so schnell zu, dass Jacksons Freunde allesamt tot waren, bevor er auch nur einen Schrei ausstoßen konnte.
Als Morgan Jackson gefunden hatte, war von ihm nicht mehr viel übrig gewesen. Er hatte mit allem, was ihm zur Verfügung stand, gekämpft, und zur Belohnung hatten die Vampire ihm sämtliche Gliedmaßen ausgerissen und ihn dann verbluten lassen. Während Jackson dalag und seine – wie er wusste – letzten Atemzüge tat, warf ihm das Schicksal einen Knochen zu, und zwar in Form eines blendenden Lichtblitzes.Was danach geschah, war wie hinter einem Schleier verborgen, weil er immer wieder das Bewusstsein verlor, aber er erinnerte sich daran, dass er einen roten Bart gesehen und Schreie gehört hatte.
Die Vampire waren bösartig, aber kein echter Gegner für Morgans juwelenbesetzten Hammer. Als der Ire mit ihnen fertig war, war nicht einmal etwas von ihnen übrig, das die Morgensonne hätte kochen können. Morgans Wut vollendete ihr Werk sehr schnell, aber bedauerlicherweise für Jackson nicht schnell genug. Sein Körper war nur noch eine Masse von Prellungen, blutigen Wunden und verstümmelten Gliedern. Morgan hatte angenommen, dass der Mann tot sei, bis er ihn mit Kerosin übergoss. Das entlockte dem malträtierten Körper ein leises Stöhnen. Jackson atmete zwar nur noch schwach, aber regelmäßig, und das Feuer, das in seinen Augen brannte, hätte die Polkappen schmelzen lassen können. Er war noch nicht bereit zu sterben, was Morgan irgendwie berührte. Deshalb tötete er Jackson nicht.
Als Jonas herausfand, was Morgan vorhatte, befahl er ihm quasi, Jackson zu erledigen, bevor die Infektion durch die Vampirbisse sich ausbreiten konnte. Aber Morgan brachte es nicht fertig. Genau wie der junge Mann war auch Morgan einmal ein Opfer gewesen. Die Handlanger der Hölle hatten seine Frau und seine Kinder abgeschlachtet und ihn sterbend zurückgelassen. So wie Jonas es mit Morgan gemacht hatte, so wollte er dem verstümmelten jungen Mann eine Chance geben. Er sammelte die Körperteile ein, ignorierte Jonas’ Tirade, dass der Mann von den Vampiren infiziert wäre, und verschwand mit ihm.
Die erste Woche war die härteste. Die Infektion wütete in Jacksons Körper. Es war, als sähe man einem Heroinsüchtigen beim Entzug zu, nur zehnmal schlimmer. Tag und Nacht hielt Morgan neben dem jungen MannWache, bereit, ihn sofort zu töten, falls er Anzeichen einer Transformation zeigen sollte. Zu Morgans Verblüffung trat das jedoch nicht ein. Seine Wunden heilten schneller als erwartet, und er schien die Infektion nicht weiterzutragen. Morgan päppelte den jungen Mann wieder auf und half ihm dabei, sich daran zu gewöhnen, dass er behindert war. Jacksons Verstand funktionierte ausgezeichnet, aber sein Körper war immer noch gebrochen.
Jonas war sauer gewesen und hatte sogar persönlich versucht, Jackson zu erledigen, doch glücklicherweise war es Morgan gelungen, ihn daran zu hindern. Er
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