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Dunkler Wahn

Dunkler Wahn

Titel: Dunkler Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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Träume unterwegs.«

    »Ja, es ist wirklich äußerst merkwürdig. Vor allem, weil es nicht die einzige Nachricht ist, die sie mir hat zukommen lassen.«
    »Hat sie dir noch weitere Bilder geschickt?«
    »Nein, aber einen Strauß Rosen.«
    Franco hob die Brauen. »Rosen?«
    »Ja. Rote Rosen. Und sie müssen teuer gewesen sein. Zuerst dachte ich, sie seien von Carla, aber sie hat mir keine Blumen geschickt. Und dann bekam ich einen Anruf von jemandem, der sich wie ein Mädchen anhörte.«
    »Was hat sie gesagt?«
    »Nicht viel, aber es klang wie ein Hilferuf. Sie sagte, sie schaffe es allein nicht mehr, und als ich fragte, was sie damit meint, sagte sie nur: ›Alles‹, und legte wieder auf.«
    Franco fuhr sich übers Kinn, und seine Bartstoppeln knisterten wie Sandpapier. »Tja, dem Bild nach zu urteilen, scheint dich diese Unbekannte für eine Art starken Helden zu halten. Für jemanden, der groß genug ist, ihr zu helfen, während sie sich klein und wie ein Kind fühlt. Zumindest ein Teil von ihr, denn andererseits schickt sie dir rote Rosen.«
    Jan machte eine ratlose Geste. »Aber warum gibt sie sich mir nicht zu erkennen? Ich meine, sie setzt doch ein klares Signal. Sie ist überzeugt, dass ich ihr helfen kann. Warum also dieses Versteckspiel? Hat sie Angst?«
    Franco besah sich erneut die Zeichnung und schürzte die Lippen. »Nein, diese klaren Linien und die ausdrucksstarke Farbverteilung passen nicht zu einer ängstlichen Person. In dem Bild ist keine Zurückhaltung zu erkennen. Im Gegenteil, das rote Kleid deutet eher auf ein erhöhtes Selbstbewusstsein hin. Ist jetzt natürlich reine Interpretation, aber ich denke, sie hat einen äußeren Schein zu wahren. Wenn sie sich direkt an dich wenden würde, wäre
das aus ihrer Sicht womöglich ein Zeichen von Schwäche. Vermutlich ist sie im inneren Zwiespalt, einerseits weiß sie, dass sie Hilfe braucht, aber sie muss auch die Kontrolle über ihr Leben wahren. Deshalb bereitet sie dich auf ihre Kontaktaufnahme vor und macht dich auf sie aufmerksam. Aber wann und wie sie auf dich zugehen wird, will sie selbst bestimmen.«
    Das scharrende Geräusch von Stühlen unterbrach ihr Gespräch, als die beiden Schwestern ihre Pause beendeten und zum Ausgang gingen. An der Tür sah sich eine der beiden zu ihnen um, nickte ihnen mit einem leisen »Gute Nacht« zu und verließ mit ihrer Kollegin die Kantine.
    »Mich beunruhigt vor allem eines«, sagte Jan und sprach ein wenig lauter, nachdem sich die Tür hinter den beiden Frauen geschlossen hatte. »Diese Frau weiß offenbar sehr viel über mich. Sie kennt meine Telefonnummer in der Klinik, sie weiß, wo ich mich gerade aufhalte und welches Auto ich fahre. Ich vermute, sie beobachtet mich. Aber im Gegenzug weiß ich so gut wie nichts über sie.«
    »Das würde ich so nicht sagen«, entgegnete Franco. »Dem Bild nach ist sie blond und wirkt vermutlich etwas mädchenhaft, wenn sie sich unbeobachtet fühlt. Sie ist gründlich, mit einer Veranlagung zur Zwanghaftigkeit, und sie wird höchstwahrscheinlich sehr bemüht sein, die Kontrolle über jede Situation zu behalten. Spontan würde ich auf eine neurotische Störung tippen. Darüber hinaus scheint sie sich in dich verguckt zu haben. Also wird sie sich irgendwo in deiner Nähe aufhalten. Das ist doch schon einmal ein Anfang.«
    Jan seufzte. »Abgesehen von dem Sichvergucken, trifft die Beschreibung auf einige Frauen zu, die ich kenne.«
    Franco sah auf die Uhr, dann stellte er sein Geschirr aufs Tablett und stand auf.

    »Ich muss wieder auf meine Station zurück«, sagte er und fügte ernst hinzu: »Halt die Augen offen, Jan. Wie es scheint, steckt dein Rosenmädchen in ziemlichen Schwierigkeiten. Und bei ihren Kontrollbemühungen vermute ich, dass sie nach außen hin nicht zeigt, was sie wirklich ist.«
    »Was ist sie denn deiner Meinung nach?«
    »So wie ich das sehe, eine schwer gestörte Person. Und vielleicht auch eine Gefahr. Sieh dir die Hände des Mädchens an. Sie hat sie zu Fäusten geballt. Wie ein Boxer, der sich zum Kampf aufstellt.«
    Jan blickte auf das Mädchen in dem roten Kleid. Das war es, was ihn beim ersten Mal so sehr erschreckt hatte, ohne dass er genau zu sagen gewusst hätte, woran es lag. Es war die Gestik des gezeichneten Kindes. Es lächelte, ebenso wie auch der Riese lächelte. Nur wirkte das Lächeln des Mädchens im Gegensatz zu dem des Riesen nicht echt. Ihr Lächeln war aufgesetzt, denn eigentlich zeigte sie dem Betrachter die Fäuste.
    Sieh

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