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Dunkler Wahn

Dunkler Wahn

Titel: Dunkler Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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geschrien.«
    »Ich hab nichts gehört.«

    »Mach die scheiß Musik leiser.« Sie schnellte nach vorn und drehte den Lautstärkeregler zurück.
    »He, was soll das werden, wenn’s fertig …«
    »Da! Schon wieder!«
    Nun hörte auch er die Schreie. Zweifelsfrei eine Frau. Sie konnte nicht sehr weit von ihnen entfernt sein.
    Er steckte den Joint in seine Jacke zurück, schnappte sich die Taschenlampe vom Armaturenbrett und leuchtete damit aus dem Seitenfenster. Außer dem Waldparkplatz war nichts zu erkennen, aber die Schreie der Frau waren deutlich zu hören. Hoch und langgezogen hallten sie durch das Dunkel.
    »Fuck! Was geht denn da ab?«
    Ängstlich sah Sandra ihn an. »Wir müssen ihr helfen!«
    Auch das noch , dachte er. »Nee, ohne mich. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich mitten in der Nacht in den beschissenen Wald renne?«
    »Gib mir die Taschenlampe!«
    »Sandy, jetzt lass doch mal. Du weißt doch gar nicht, was da hinten abgeht. Da werden zwei poppen, und wir …«
    »Red keinen Quatsch. Das würde sich anders anhören.«
    »Du musst’s ja wissen.«
    »Gib mir endlich die verdammte Taschenlampe, du Feigling!«
    Er schluckte. Das hatte gesessen. »Also gut, ich komm mit.«
    Er fasste an ihr vorbei zum Handschuhfach und nahm ein Lederbündel heraus. Als er es aufschlug, sah sie ihn mit großen Augen an.
    »Was ist das?«
    »Na, wonach sieht es wohl aus?«
    Robert warf das Ledertuch auf den Rücksitz, hielt die Pistole ins Licht und lud sie durch. Vor zwei Jahren hatten
ihm ein paar Typen aus der Nachbarschaft eine ziemlich üble Abreibung verpasst, und als er nach Monaten endlich wieder hatte laufen können, hatte er sich die Waffe organisiert. Noch einmal würde ihm das nicht passieren.
    »O Mann, Bobby, mach bloß keinen Scheiß! Ist die echt?«
    Er grinste sie an. »Wer hat jetzt Schiss, hm? Also, was ist? Kommst du mit oder nicht?«
    Sie stiegen aus und gingen vorsichtig auf die Stelle zu, aus der die Schreie in unregelmäßigen Abständen zu hören waren. Und nun hörten sie noch etwas – Schläge. Als würde jemand auf Holz schlagen.
    Um sie herum war es stockfinster, doch tiefer im Wald war ein Lichtkegel zu erkennen. Eine Taschenlampe schien dort zu liegen.
    Robert blieb stehen. Er hielt seine Taschenlampe an den Lauf der Pistole und schwenkte sie suchend hin und her, wie er es schon hunderte Male in Filmen gesehen hatte. Er würde nicht schießen – zumindest nicht, wenn es nicht sein musste –, die Pistole enthielt ohnehin nur Platzpatronen, aber dennoch fühlte er sich in diesem Moment verdammt cool. Mit der Tour würde er Sandy auf alle Fälle rumbekommen.
    »Hallo!«, rief er und versuchte, möglichst entschlossen zu klingen.
    Sandra fuhr erschrocken zusammen und stellte sich hinter ihn.
    »Hallo!«, rief Robert wieder. »Brauchen Sie Hilfe?«
    Augenblicklich erlosch das Licht im Wald, und für einen Moment war es totenstill. Robert ging weiter. Nur das Schmatzen seiner Schuhe im nassen Boden und das schwere Rauschen der hohen Tannen, die im Wind wogten, waren zu hören.

    »Warum sagt sie nichts mehr, Bobby?«, flüsterte Sandra und wischte sich die Regentropfen aus dem Gesicht. »Glaubst du, sie ist …«
    Ein Schatten huschte durch den Lichtkegel. Sandra schrie auf, und auch Robert zuckte zurück. Die Gestalt verschwand sofort wieder im Unterholz. Hastige Schritte und das Rascheln von Sträuchern verhallten im Dunkel.
    »Scheiße!«
    Robert lief los und hielt auf die Stelle zu, von der die Gestalt losgerannt war.
    »Bobby, warte! Lass mich hier nicht allein!«
    Sandra lief ihm nach, stolperte über Wurzeln und durch Sträucher, und dann hörte sie Roberts erstaunten Ausruf: »Fuck! Was ist denn das?«
    Sie hielt inne, zögerte und ging dann vorsichtig auf ihn zu.
    »Ist sie da, Bobby? Ist sie …«
    »Nein, aber sieh dir das mal an.«
    Er hielt die Taschenlampe auf einen Baumstamm gerichtet. Der Stamm war zerkratzt und ein Teil der Rinde abgesprungen. Daneben lag ein dicker Ast auf dem von Tannennadeln bedeckten Boden. Er war völlig zerschunden, so als habe ihn jemand in unbändiger Wut immer wieder gegen den Baumstamm geschlagen.
    Mit ungläubiger Miene fuhr sich Robert durchs Haar. »Das muss diese Verrückte gewesen sein.«
    »Die aus der Zeitung?«
    »Ja. Das müssen wir den Bullen melden.«
    »Nein, Bobby! Keine Polizei! Meine Eltern bringen mich um.«
    »Sandy, wenn es wirklich diese Frau war, dann muss man so etwas doch …«
    »Hast du nicht kapiert?«, fuhr sie ihn an.

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