Dunkler Winter
Schlachtrösser nicht. Das Gleiche gilt für Plattner. Es ist eine Qual, den Harnisch zu tragen, darin zu reiten, sich zu bewegen, ihn ändern zu müssen, wenn er hier und dort zwickt, ihn wieder ändern zu müssen, wenn er aufklafft, und immer sein lästiges Gewicht mit sich herumzuschleppen.
Trotz allem blieb ich still. Was wusste ich schon von der Ausrüstung eines Ritters? Und am Ende des Prozes ses sah ich schön aus. Nicht so schön wie Ser Joachim de Lacy mit seinem prächtigen gravierten Harnisch aus blauem Stahl, mit Federbusch und siebenfach geschobenen Achseln, aber prächtig genug. Wenn ich mein Pferd bestieg und es stillstand, wirkte es so, als stünde das Rit tertum noch in voller Blüte, und der Effekt wurde nur etwas beeinträchtigt, wenn das eigensinnige Ross sich plötzlich in Bewegung setzte.
Wir übten auf einer Wiesenfläche, die außerhalb der Stadt lag. Das ist noch immer so, in dem Sinne, dass sie außerhalb der Mauern liegt. Der Turnierplatz, so wird das Gelände genannt, und tatsächlich wird es noch immer ge legentlich für ein Turnier genutzt. Turniere sind für den Krieg, was Süßigkeiten für das Essen sind. Farbig, ange nehm, bezaubernd und üppig, aber man kann davon nicht leben. Die meiste Zeit wird das Wiesengelände nur als Schafweide benutzt, bisweilen dient es der Abhaltung von Märkten, doch als Truppenübungsplatz würde es für größere Verbände zu klein sein. Aber das war natürlich der Punkt. Nathan dachte nicht daran, einen größeren Truppenverband zu entsenden. Für Ruanes verlorenen Haufen mochte es hingegen als Übungsplatz gut genug sein.
Silvus und ich saßen beisammen und beobachteten die anderen, als sie ihre Pferde auf und ab trotten ließen. Von den Turnierschranken drang ein Klappern herüber. Ser Joachim de Lacy hatte gerade die Stechpuppe mit der Lanze durchbohrt und es wurde höflicher Applaus laut. Er war sehr gut darin. Ich fragte mich nur, wie er es machen sollte, wenn das Ding auswich, ein Gesicht voller Zähne und eine aus einem halben Baum gefertigte Keule hielte.
Die gleiche Frage hatten sich offensichtlich auch andere gestellt. Nur vier Ritter – de Lacy, Brant de Barlac, Luccan de Morninghill und Eumas de Reave – hatten keine glaubhafte Entschuldigung finden können, nicht an der Mission teilnehmen zu müssen. Ich kannte keinen von ihnen. Sie waren jung und sahen entsprechend unerfah ren aus. Ihre Knappen, blutjunge Burschen, die elegant zu reiten, zu fechten und zu tanzen verstanden, gingen nach schrillen Protesten mit ihnen. Dann waren Silvus und ich mit von der Partie und Graf Ruane mit seinem Knappen Hubert de Clansi. Vier bewaffnete Söldner, die Ruane mit Nathans gnädiger Erlaubnis in seinen Dienst genommen hatte, vervollständigten die Truppe.
Das ergab rechnerisch eine Kampfstärke von sechzehn Mann. Unter den obwaltenden Umständen stellte die Entsendung dieser kleinen Hilfstruppe nicht mehr als eine geringschätzige Geste dar, aber was sonst war zu machen? Sechzehn Mann. Immerhin noch mehr als die verlangten drei Lanzenreiter. In früheren Zeiten waren die Grafen von Tenabra imstande, hundert Ritter auszurüsten und ins Feld zu schicken, bevor sie auf Truppenaushebungen in der Stadt zurückgriffen. Dann gab es vier Marketender, einen Pferdeknecht für jeden Ritter, einen Hufschmied und ein halbes Dutzend Diener, Burschen und Küchenjungen. Und einen Koch. Und drei Fuhrwerke. Privates Gepäck nicht mitgerechnet. Dieser Tross, so notwendig er sein mochte, würde unsere Beweglichkeit stark einschränken. Ich hatte ohnedies meine Zweifel an der Zweckmäßigkeit des Unter nehmens. Eine Streitmacht von Rittern auszurüsten und zu versorgen, war äußerst kostspielig, und sie taugte nur für eine Kampftaktik, dem massierten, unwiderstehlichen Ansturm der Panzerreiter zu begegnen, der die feindliche Front durchbrach und alles niederhieb, was sich ihm in den Weg stellte. Armbrust- und Langbogenschützen, aber auch beherzte Pikeniere konnten solch einen Angriff aufhalten, und einmal aufgehalten, waren Ritter erledigt. Der einstige Nimbus der Unbesiegbarkeit war längst dahin, und niemand hielt noch viel von schwer gepanzerten Rit tern auf ihren gleichfalls gepanzerten Schlachtrössern, seit Nathans Vater der Adelsliga bei Cornbleu eine entschei dende Niederlage beigebracht hatte, als ich drei Jahre alt gewesen war. Die Schlacht von Hoppelinmoor hatte es nur bestätigt.
Je mehr ich über diese Expedition nachdachte, desto we niger gefiel
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