Dunkler Winter
Ausrüstungen und Schwerter von Ruane erhalten und unser Banner von der Gräfin Eugenie, die es mit ih ren eigenen zarten Händen bestickt hatte.
Fürst Nathan hatte unbekümmert Geld für eine Ab schiedsparade ausgegeben. Am Vorabend gab es Illumi nation und ein großes Festmahl, und er hielt eine gezie mende Rede, voll von Worten wie ›Ehre‹ und ›Ritterlich keit‹ und ›Gelübde‹ und ›Ritterwürde‹. Silvus lauschte und rückte unruhig auf seinem Platz, als ob ihn seine Hä morrhoiden plagten. Als sein Knappe musste ich dafür sorgen, dass sein Weinglas voll blieb, was bedeutete, dass ich überhaupt nicht zuhören musste.
Am Morgen ritten wir unsere Schlachtrösser durch die Hauptstraße zum westlichen Tor. Die Banner leuchteten im Sonnenschein, die Pferde schnaubten und tänzelten, und die Stadt war mit Wimpeln herausgeputzt und wim melte von Menschen, die in ihrer Festagskleidung gekom men waren, das Schauspiel anzusehen. In der Nacht hatte es geregnet, und die Straßen waren frisch gewaschen. Sie stanken fast gar nicht.
Die Diener und der Tross waren schon im Morgengrauen aufgebrochen und bereits seit Stunden auf dem Weg. Schwester Winterridge hatte auf der ersten Etappe die Eskorte übernommen, weil, wie sie ironisch bemerkt hatte, niemand sie verabschieden wollte – man wollte sie nur von hinten sehen. Wir würden sie noch am selben Tag einholen, denn die Fuhrwerke kamen nur langsam voran. Eines beförderte die Truhe mit der Kriegskasse und am Ende der Kolonne trotteten die Ersatzpferde und Maultiere. Silvus hatte den Tross vor dem Abmarsch geprüft und seine Länge mit einer bedenklichen Grimasse und einem Achsel zucken quittiert. Mir selbst war es gleichgültig.
»Nun«, hatte er vor dem Aufbruch gesagt, »wenn wir schon mit aller Prachtentfaltung ausreiten müssen, kannst du dies tragen. Schließlich gehört es zu deinen Aufgaben. Du wirst aber eine passende Stange dafür finden müssen.«
Und er übergab mir ein zusammengerolltes Stück Sei denstoff. Ein Banner. Er hatte kein Neues nähen lassen müssen; es war das Banner seiner Familie mit dem Wap pen der de Castros, mit einem silbernen Turm auf rotem Grund. Es roch nach Kampfer. Der Himmel wusste, wie lange es in einer Truhe gelegen hatte, vielleicht zusam men mit seinem Harnisch.
Für die Abschiedsparade hatte er einen blinkenden Harnisch angelegt, und sein hageres Gesicht, eingerahmt vom offenen Helm mit hoch geschobenem Visier, nahm sich durchaus kriegerisch und raubvogelartig aus. Seine Züge blieben unbewegt, als wir uns in die Parade einreih ten, ich mit dem Banner hinter ihm – aber er blickte auf, als die scharlachrote Seide sich über mir entrollte. Ich hatte eine Stunde damit verbracht, das Banner mit einem Bügeleisen zu glätten, und den größten Teil meines Hand geldes für eine gute Stange aus Eschenholz mit einer silbernen Spitze in Gestalt eines Turmes ausgegeben. Sein Blick ruhte einen Augenblick lang darauf, dann fand er zu mir. Er nickte mir kaum merklich zu.
Ein gutes Gefühl.
Als Edelmann – ha! – hatte ich selbst Anspruch auf ein Wappen. Mit einem Beamten des fürstlichen Herolds amtes hatte ich darüber gesprochen, und der brave Mann hatte nach eingehendem Studium seiner Unterlagen beinahe zehn Minuten damit verbracht, mir klar zu machen, dass niemand in meiner Familie jemals im Adelsregister vertreten gewesen sei. Ich hätte es ihm gleich sagen können, wenn er gefragt hätte. Aber dann erkundigte er sich, welches Emblem ich wolle, und ich sagte, ich sei nicht wählerisch. Das schien ihm wenig hilfreich, also suchte ich etwas, was zu meinem Namen passen würde. Parkin, dachte ich mir, müsse jemanden bezeichnen, der sich um einen Park kümmert, also wählte ich als Fond grün, was in der Heraldik vert heißt, mit einem silbernen Baum. So wurde es mit dem achtbaren Namen de Parkin in die Liste des Heroldsamtes eingetragen und ich trug es auf dem Überrock meiner Rüstung.
Nun, es ist ein ehrbarer Name. Niemand in meiner Fa milie war jemals in Schwierigkeiten gewesen, außer mir, natürlich. Ich war in Schwierigkeiten, obwohl es zuerst nicht danach aussah.
Alles jubelte, als wir die Hauptstraße hinunterritten, eine Menschenmenge geleitete uns unter Zurufen aus dem Tor und andere winkten und warfen ihre Hüte in die Luft, als wir zwischen den Zeilen der Vorstadthäuser außerhalb des Tores die Große Westliche Straße hinaus ritten. Ein paar Begeisterte rannten oder ritten sogar neben uns bis zu den
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