Dunkler Winter
Dorfbewohner zu sehen. Je mand erneuerte den Brennholzvorrat, eine Gestalt in einem grauen Umhang und dicken Fausthandschuhen. Über Nacht war der Frost gekommen, hatte alles mit Reif überzogen, und feuchter Dunst hing über dem still da hin ziehenden dunklen Wasser des Flusses. Die Pferde stampften und bliesen dampfenden Atem aus den Nüs tern, als wir sie aus dem Stall führten. Wir bespannten die Fuhrwerke, und als sie vom Hof rollten, saßen wir auf und folgten ihnen. Vom Pferd nickte ich dem Holzhacker zu. Er nickte mit einer einzigen knappen Kopfbewegung missmutig zurück und hob die Axt über den Kopf. Dann schlug er zu und spaltete den Klotz mit einem sauberen Axthieb. Die stählerne Klinge war das Einzige, was an diesem düsteren Morgen hell glänzte.
Sehr hell. Eine saubere, scharfe Schneide, keine Schar ten und kein Rost daran. Guter Stahl, diese Axtklinge. Besser als man sie in der durchschnittlichen Dorf schmiede finden würde, sogar im wohlhabenden Land an den Ufern des Wydem. Vielleicht stand die Schmiede kunst hier in schönerer Blüte. Oder vielleicht hatte man die Axtklinge nur eines schönen Morgens draußen an einem Berghang gefunden.
Die Priorin sagte etwas zu dem Holzhacker. Der mach te ein verlegenes Gesicht, hörte auf zu arbeiten und entfernte sich mit schleppenden Schritten. Ich konnte mir denken, was gesagt worden war. Brennholz wurde nicht mehr benötigt. Wir waren die letzte Gruppe, die in der Herberge genächtigt hatte – tatsächlich hatten wir uns verspätet. Es war Zeit, den Ort zu räumen und sich ins Bergland zurückzuziehen.
Die Kolonne zog weiter, während die letzten Dorfbewohner die Dunghaufen auf den Feldern ausbreiteten. Nichts sollte für das Dunkel zurückgelassen werden. Zwei Schwestern blieben im Ort. Wenn Reiter auf der Landstraße erschienen, sollte das Dorf in Brand gesetzt werden, und sie würden sich ins Hügelland absetzen.
Ich ritt mit meinem Banner in der Kolonne und kam mir vor wie ein Schausteller, dem das Publikum abhanden gekommen war und der überdies seinen Rollentext ganz und gar vergessen hatte.
KAPITEL 13
Das feuchtkalte neblige Wetter hielt den ganzen Tag an. Die Straße führte jetzt am Fluss entlang nach Ys, der See entgegen. Die Flussniederungen ertranken im Nebel, aber von Zeit zu Zeit fing meine Nase den kräfti gen Geruch von Salzwasser und Seetang auf.
Und Brandgeruch. Der Westwind trug ihn und feine Ascheteilchen mit sich. Ich kannte diese Gerüche aus Zeiten, die ich für vergangen gehalten hatte, und die Erinnerungen, die sie wachriefen, waren unerfreulich.
Der Nebel hing in den Hecken und wallte um uns, als wir der Landstraße folgten. Ent laubte Bäume ragten skelettartig aus dem feuchten Grau, und der Strom der Evakuier ten, die nach Osten zogen, wurde dünner. Jetzt waren es hauptsächlich junge Männer und Frauen zu Fuß, die mit ihrem auf Fuhrwer ken und Karren verladenen Hausrat dahinzo gen. Im Laufe der Vormittagsstunden taute der Raureif, doch war die Landstraße trotz der Nässe fest und breit genug für den Verkehr in beiden Richtungen. Wir kamen zügig voran.
Angesichts der Flüchtlinge, die uns mit ihren Habseligkeiten beladen entgegenkamen, schienen die Farben, die ich trug, das Banner, der wald grüne und silberne Überrock fehl am Platz und unpas send. Ein einfaches Volk, das mit Recht um den Verlust seiner Häuser und Lebensgrundlagen trauerte, konnte kein Verständnis für Aufputz und Prachtentfaltung ha ben; beides war eine Beleidigung ihres Kummers und des schweren Schicksals, das sie tragen mussten.
Endlich wurde der Strom der Flüchtlinge dünner und hörte dann ganz auf. Mit weitem Abstand rollte zuletzt eine Reihe langsamer Fuhrwerke heran, eskortiert von Reitern. Sie waren leer und ihre Begleitmannschaft hatte dafür zu sorgen, dass nichts weggeworfen wurde und liegen blieb, und alle zurückbleibenden Nachzügler mit den Fuhrwerken fahren konnten. Der Orden dachte an alles.
Eine Stunde lang ritten wir allein durch einen wat tigen grauen Nebel, der vor uns zurückwich und sich hinter uns wieder schloss. Dann, als hätte jemand einen Vorhang beiseite gezogen, tauchten orangegelbe Lichter im Grau auf, die im Näherkommen zu Flammen und glühender Asche wurden. Wir ritten in die niedergebrannte Stadt ein.
Sie hatten sie ausgeräumt, angezündet, die Ruinen eingerissen und verbrannt, was übrig geblieben war. Nichts als Asche und rauchgeschwärzte Steine für das Dunkel. Sollte es sich daran die Zähne
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