Dunkler Zauber
schreien?«, scherzte Alex. »Uns fehlten irgendwie die Postleitzahl und der Zustellungsbezirk.« Cam drehte ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und band sie mit einem Haargummi fest. »Wir könnten es ja mit einem Zauberspruch versuchen.«
»Wir kennen doch gar keinen, um jemanden heraufzubeschwören«, erinnerte Alex sie.
»Aber wir haben uns schon öfter mal einfach welche ausgedacht«, gab Cam zurück. »Und wir haben unsere Amulette.«
»Also gut, versuchen wir es«, sagte Alex und kramte ein Stück Papier aus ihrer Leinentasche, Cam fischte einen Stift aus ihrem Rucksack.
Eine Viertelstunde später nahm Alex Cam bei der Hand. Ihrer beider Worte - etwas holprig - schwebten hinaus auf das verlassene Fußballfeld.
Mächtiger Hexer, Ihr habt geschworen
Uns zu beschützen - drum spitzet die Ohren:
Große Gefahren nähern sich
also bitten wir dich:
Hilf uns zu kämpfen, leite uns an
Den Feind zu besiegen durch unseren Bann.
Kapitel 9 - DIE DREI BRÜDER
Große Gefahren nähern sich, also bitten wir dich .. .
In Gedanken sprach Karsh die Beschwörung mit. Er konnte hören, wie die Zwillinge ihn riefen. Es brach ihm das Herz, dass er ihnen nicht antworten konnte. Er hatte versprochen, immer für sie da zu sein. Und er hatte auch geglaubt, dass er dieses Versprechen würde halten können. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass er sich irgendwann in einer solchen Lage befinden würde - seine Hände waren mit einem dicken Hanfseil gefesselt, das in seine Haut schnitt, um seine Knöchel lag eine Kette, sodass er ohne Hilfe nicht einmal aufstehen konnte. Er hätte einen Zauberspruch murmeln können, um sich zu befreien, aber dann würden seine Entführer ihn zweifellos in irgendein leicht zu zertretendes Wesen verwandeln, in eine Raupe oder eine Schnecke. Sie waren zu zweit, beide jünger, stärker und womöglich auch mächtiger als er - und er war ganz allein. Sie könnten und würden ihn im Handumdrehen überwältigen.
Hilf uns zu kämpfen, leite uns an
Den Feind zu besiegen durch unseren Bann.
Karsh wünschte sehnlichst, dass er ihnen zumindest eine Nachricht übermitteln, seine beruhigende Stimme in die Köpfe der Mädchen entsenden könnte. Camryn war davon überzeugt, dass sie sich in Gefahr befanden, inzwischen schien Alexandra diese Ansicht zu teilen. Die Worte ihrer Beschwörung sagten ihm, dass auch Ileana ihnen nicht zu Hilfe gekommen war. Das beunruhigte ihn zutiefst. Es bedeutete, dass die vorschnelle junge Hexe in die Falle ging, die man für sie aufgestellt hatte - dass sie versuchen würde, ihn zu retten statt der Mädchen. Ungeachtet seines Zustandes musste er wenigstens versuchen, Ileana zu warnen.
Er hörte, wie die schmalen, hölzernen Stufen, die zu seinem Gefängnisraum hinabführten, gefährlich unter dem Gewicht von schweren Nagelstiefeln quietschten, und kurz darauf vernahm er leichtere, flinkere Schritte. Rasch unterdrückte Karsh, was er gerade dachte. Die Entführer beherrschten die Kunst des Gedankenlesens meisterhaft.
»Wie gerissen von Euch, alter Fuchs, Eure Gedanken so zu verschlüsseln, dass man nicht mehr davon versteht als bei einem Radio, das zwischen zwei Sendern eingestellt ist. Ein be-lieb-ter Trick.« Thantos stand drohend vor Karsh, brutal und tückisch, und strich mit der Hand über seinen schwarzen Vollbart. »Sehr passend für einen Greis.«
Der grausamste und mächtigste aller Hexer hielt Karsh schon seit fast zwei Wochen hier in diesem modrigen Kellergewölbe gefangen. Nicht, dass Thantos für die Ausführung oder auch nur für die Planung der Entführung verantwortlich gewesen wäre. Karsh hatte seine Lage einzig Fredo zu verdanken, dem anderen bösartigen Hexer, der momentan ihm gegenüber in der Ecke saß.
»Warum entsorgen wir ihn nicht einfach?«, schmollte der schmächtige Fredo. »Ich kümmere mich schon drum!« Thantos wirbelte ruckartig herum und drohte Fredo mit dem Finger. »Du machst nur das, was ich dir befehle. Und zwar erst dann, wenn ich es befehle. Bis dahin darfst du dir deine Meinung irgendwohin stecken, wo nicht einmal ich sie hören kann.«
»Du hältst ja nie was von meiner Meinung!« Fredo war beleidigt und verschränkte verdrossen seine dürren Arme. »Ich sag dir schon Bescheid, wenn du jemals eine anständige haben solltest!«, donnerte Thantos und Fredo duckte sich in seine Ecke.
Trotz der misslichen Lage war Karsh leicht erheitert. Das Verhalten der Brüder hatte sich seit ihrer Kindheit kaum
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