Dunkler Zauber
dann ist es vielleicht an der Zeit, einmal grundsätzlich über unsere Freundschaft nachzudenken. Und uns einzugestehen, dass da nicht mehr viel von übrig ist.«
Cam ging zu Beths Stuhl hinüber und beugte sich hinab, sodass die Mädchen auf gleicher Augenhöhe waren. »Das will ich nicht. Und ich hoffe, dass du es auch nicht willst.«
Beth kämpfte mit den Tränen. »Wie konntest du mir nur unterstellen, dass ich meine Moni bestehle?«
»Tut mir Leid. Das war ...« Cam hielt inne. »Völlig blöd von mir. Verzeihst du mir?« Sie nahm ein Taschentuch aus der mit Blumen bedruckten Schachtel auf dem Tisch und reichte es Beth.
Beth schnäuzte sich. »Schon vergessen.«
Da sie Beth noch immer nicht die Wahrheit über Ms Webb und die Ladendiebstähle sagen konnte, suchte Cam nach einem unverfänglichen Thema. »Sag mal, du kommst doch heute Abend zum Winterball, oder?«
»Natürlich«, versicherte Beth. Zum ersten Mal an diesem Morgen zeichnete sich auf ihren Lippen ein Anflug ihres strahlenden Lächelns ab, das Cam so mochte. Was sie auf eine Idee brachte.
»Hey, weißt du was? Wir können alle zusammen gehen. Das ist jetzt vielleicht ein bisschen kurzfristig, aber Jasons Freund Rick ist eigentlich ganz cool...«
Beths Lächeln verschwand. Sie schüttelte den Kopf. »Du änderst dich wohl nie. Wie kommst du darauf, dass ich deine Hilfe brauche, um jemanden zu finden, mit dem ich hingehen kann?«
Cam schluckte. »So hab ich das doch nicht gemeint. Du hast doch neulich noch gesagt, dass du nicht weißt, mit wem du gehen sollst.«
»Das war vor zwei Wochen.«
»Natürlich bist du nicht auf meine Hilfe angewiesen. Es ist auch völlig okay, wenn du allein hingehst... Sukari macht das ja auch und ...«
Beth unterbrach sie. »Es wäre völlig okay, aber wie das Leben so spielt: Ich bin schon verabredet.«
»Wirklich ?«
»Wenn du dich bitte nicht so überrascht anhören würdest, Cami ?«
»Ich bin nur erstaunt, dass du mir nichts davon erzählt hast, das ist alles.«
Warum eigentlich? Offenbar gab es ja in letzter Zeit alles Mögliche, von dem Beth ihr nichts gesagt hatte. »Und, wie ist der Typ so ? Wer ist es denn ? Ist er ... nett ?« Noch bevor sie zu Ende gesprochen hatte, wusste Cam, dass er nicht nett war. Denn während Beth ihr freudig von dem Jungen erzählte, der in ihr Leben getreten war, verspürte Cam eine eisige Kälte, ein Pochen in den Schläfen, Gänsehaut. Und dann sah sie ...
Groß und sportlich, milchschokoladebraune Augen, umrahmt von langen, dunklen Wimpern, zerzauster, hellbrauner Haarschopf, ein umwerfendes Lächeln. »Shane«, sagten sie gleichzeitig.
Der Junge vom Helfende-Hände-Stand. Natürlich, Beth und er arbeiteten bestimmt zusammen. Shane Wright. Irgendetwas sagte Cam, dass das vollkommen falsch war.
Kapitel 11 - EIN VATER ZU VIEL
Alex lag in ihrem Bett, die Arme weit von sich gestreckt, und blickte starr an die Decke. Die Anzeige ihres elektronischen Weckers sagte ihr, dass es spät war, schon Viertel nach zehn am Morgen, und dennoch hatte sie keine Lust aufzustehen. Zum ersten Mal seit langer Zeit war sie allein.
Cam war übereilt aufgebrochen, um Beth zu besuchen. Die Stille, die aus Dylans Zimmer kam - mit dem ihren durch ein gemeinschaftliches Bad und einen begehbaren Kleiderschrank verbunden, sagte ihr, dass er noch schlief. Die Alten, Dave und Emily, würden sie nicht stören.
Sie hatte geträumt und wünschte, sie könnte sich wieder hineinfallen, sich von diesen süßen Gefühlen überschwemmen lassen. Sie stellte sich vor, wie sie die Traumfetzen wieder zusammensetzte und daraus eine weiche Daunendecke webte, in die sie sich einhüllen konnte.
Sie war in Montana. Draußen ... die klare, frische Bergluft schnitt in ihr Gesicht ... die leuchtenden Farben, das tiefe Waldgrün der Blätter, das blendende Weiß der schneebedeckten Berge, das Azurblau des Himmels - Vormittage, die wirkten, als habe jemand mit einem riesigen Pinsel orangefarbene, gelbe und rote Streifen über die Landschaft gezogen.
Und drinnen. In ihrem Haus war es warm, der süße Duft von Pfannkuchen oder Eiern mit Speck, der aus der Küche wehte und in ihre Nase stieg, ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Sara, strahlend, klug und liebevoll, summte eine Melodie. Sara lächelte.
Freunde ... die witzige, treue Lucinda mit dem runden Gesicht und dem spöttischen Mund und der freundliche Tagträumer Evan mit den Rastalocken und dem verschrobenen Sinn für Humor, würden bald kommen und
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