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Dunkler Zwilling

Dunkler Zwilling

Titel: Dunkler Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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dem Handrücken weg und stürzte sich auf mich. Jonas ist zwar genauso groß wie ich, damals war er aber eindeutig derjenige, der deutlich mehr Kampferfahrung und Kampfgewicht mitbrachte! Wie im besten Kickboxer-Film holte er mit seinem Bein aus und trat mich vor die Brust, dass ich gegen die Bank hinter mir flog. Der Weigmann brüllte: Aufhören! Aber ich warf mich auf Jonas wie ein Katapultgeschoss und kämpfte – wie ein Mädchen. Ich spuckte, kratzte und kniff ihn. Ich riss an seinen Ohren, seinen Haaren, seinen Klamotten, flennte dabei und jaulte wie ein junger Hund. Das ging nicht sonderlich lang, denn Marc und Felix hatten das schnell unter Kontrolle und hielten uns auseinander, während der Weigmann uns in den Senkel stellte. Wohlgemerkt uns! Er gab nicht mir allein die Schuld, obwohl ich angefangen hatte. Das fand ich oberfair von ihm. Er sagte, er will in der Pause ein Gespräch mit uns führen und unsere Eltern anrufen. Wir sollten uns jetzt die Gesichter waschen, auf unsere Plätze gehen und über unser Verhalten nachdenken.
    Annalena hob meine zerbrochene Brille auf und gab sie mir. Ich wollte nicht, dass das so ausartet, sollte wirklich nur ein Joke sein, sagte sie. Ich reagierte nicht, sondern steckte einfach nur die Überreste meiner Brille in meinen Rucksack, dann ging ich zum Waschbecken im Klassenraum und wartete brav hinter Jonas, bis er fertig war. Er tat so, als wäre ich Luft, aber immerhin hielt er die Klappe. Ich kühlte die Schwellung unter meinem Auge und sah, dass das wohl morgen ein schönes Veilchen geben würde. Meine Haare waren von dem vielen Wasser, das ich mir ins Gesicht geklatscht hatte, ganz nass geworden. Ich strich sie einfach hinter die Ohren. Im Spiegel erkannte ich verschwommen, dass ich jetzt aussah, als hätte ich eine Kurzhaarfrisur. Mit dem Face würden die mich jetzt noch mehr dizzen. Aber in diesem Moment war mir das völlig egal. Sollten sie doch! Ich drehte mich langsam um, straffte die Schultern und ging aufrecht und mit ruhigen Schritten zu meinem Platz. Immerhin hatte ich denen mal gezeigt, dass ich mir nicht alles gefallen lasse! Durch das geschwollene Auge und die fehlende Brille konnte ich die Gesichter der anderen nicht so genau erkennen und ehrlich gesagt, wollte ich sie auch gar nicht sehen. Chiara hat mir jedoch später erzählt, wie geschockt sie alle waren, als ich mich umdrehte und mit diesem ganz anderen Gang auf sie zukam. Sie müssen mich angestarrt haben, wie einen Zombie, der gerade aus seinem Grab geklettert ist. So ähnlich war es ja auch. Ich hatte zwar keine Ahnung, aber in dem Moment sah ich genau wie Maurice aus. Maurice, der im Jahr davor noch zu ihrer Klasse gehört hatte und auf den Schienen der S-Bahn-Station Modertal gestorben ist. Besonders schlimm war dieser Augenblick für Chiara. Sie erzählte mir später, sie hätte ein Déjà-vu gehabt und plötzlich wäre alles an mir Maurice gewesen, meine Stimme, mein Gang, die Art, wie ich lache oder wie ich die Seiten in einem Buch immer von hinten nach vorne blättere. In den folgenden Tagen fielen ihr immer mehr Ähnlichkeiten auf und die anderen bestätigten ihre Beobachtungen. Manche meinten, es wäre Zufall, die Esoteriker waren der Ansicht, ich wäre ein Wiedergänger.
    Zuerst merkte ich davon nichts, weil sie das alles über Facebook bequatschten. Sie machten sogar heimlich Handyfotos von mir und posteten sie. Dazu pinnten sie Fotos von Maurice. Ich spürte zwar ihr verändertes Verhalten mir gegenüber, aber ich dachte, sie hätten mehr Respekt vor mir, seit ich Jonas eine gelangt hatte.
    In den Herbstferien traf ich Jonas zufällig draußen beim Fahrradfahren. Ihm war genauso langweilig wie mir, seine Eltern fahren wegen dem Geschäft nie in Urlaub. Wir hatten auch längst Waffenstillstand geschlossen. Wie gesagt, keiner hat mich mehr seit diesem Tag noch irgendwie dumm angemacht. Zuerst machten wir Kinderkram, versuchten das Wasser im Moderbach aufzustauen und ließen Hölzchen schwimmen. Jonas fragte mich, was ich eigentlich von dem Maurice-Kult halte, den sie um mich machen und warum ich bei Facebook dazu keine Kommentare abgebe. Als ich ihm ehrlich sagte, dass ich nicht ins Internet kann, sind wir zu ihm nach Hause gegangen. Er hat mir alle Fotos gezeigt und ich war erst einmal ziemlich angepisst, dass die einfach so meine Bilder posten, bis ich kapiert habe, dass das diesmal nicht schlecht, sondern total positiv für mich gemeint war. Ein Bild fiel mir besonders auf. Chiara hatte

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