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Dunkler Zwilling

Dunkler Zwilling

Titel: Dunkler Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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Treppe und sah dem tobenden Fellbündel vergnügt zu. Als Schorsch bei der nächsten Runde an Max vorbeikam, trug er einen Brief im Maul.
    »Stopp!«, rief Max und Schorsch ließ vor Schreck sein Spielzeug fallen.
    Max bückte sich und hob den Umschlag auf. Maximillian Friedhelm Wirsing stand darauf. Im Gegensatz zu den bisherigen Briefen war es ein länglicher, cremefarbener Umschlag, wie man ihn für Grußkarten verwendet. Die letzten drei Briefe waren unfrankiert in den Briefkasten draußen am Gartenzaun eingeworfen worden. Und dieser hier? Wo hatte Schorsch den her? Max verfolgte mit den Augen den Weg zurück, auf dem Schorsch gekommen war. Er war von der Haustür durch den Flur gesaust. Also musste jemand diesen Brief unter der alten, zugigen Holztür durchgeschoben haben. Aber vorhin lag da kein Brief, das wäre Max beim Hereinkommen aufgefallen. Also musste es passiert sein, als er mit dem Hund unten in der Waschküche gewesen war. Wie dreist! Jemand war durch den Vorgarten bis zur Haustür gekommen, hatte dort vermutlich lauschend gestanden und dann den Brief durchgeschoben.
    Max starrte auf die Tür. Sein Herz schlug bis zum Hals. Da kommt dir jemand immer näher, dachte er. Sein Blick fiel auf Schorsch, der mit bettelnden Hundeaugen vor ihm saß und sein Spielzeug zurückhaben wollte.
    »Du bist mir vielleicht ein Wachhund, schlägst nicht mal an, wenn einer an der Tür ist!«
    Als Antwort kläffte Schorsch hell, was allerdings eher zu bedeuten hatte, dass seine Geduld am Ende war und er weiter mit dem schönen Papier spielen wollte. Der Laut des Hundes erinnerte Max daran, dass Schorsch sehr wohl eben im Flur gebellt hatte. Ja, er hatte sogar an der Eingangstür gekratzt, nur hatte Max das als Teil seines verrückten Spiels interpretiert.
    Max ging zur Tür und lauschte. Schorsch folgte ihm und schnüffelte am Türspalt. »Sag schon, steht da draußen noch einer?« Schorsch kläffte kurz und sprang an Max’ Beinen hinauf. Eine Botschaft, der Max nichts Brauchbares entnehmen konnte. Also schlich er sich in die dunkle Küche und lugte vorsichtig zwischen den Vorhängen hindurch zur Eingangstür. Die Straßenlaternen beleuchteten spärlich den nassen Vorgarten mit seinem Gewirr aus vertrockneten Stauden und Buschwerk. Vor der Haustür stand niemand. Andererseits war es kein Problem, sich irgendwo auf diesem unübersichtlichen Grundstück zu verstecken. Wenn es in diesem Winter wenigstens mal Schnee gegeben hätte, dann hätte man vielleicht Spuren sehen können. Aber bei diesem Wetter verschwand alles in schlammigem Einheitsgrau. Die Großmutter hatte noch nicht einmal eine Lampe mit Bewegungsmelder an der Tür wie ihre Nachbarn.
    Max verließ seinen Posten und zog sich in sein Zimmer zurück. Dort öffnete er den Brief. Die Botschaft war neu. Sie war nicht mit der Hand, sondern mit Computer geschrieben.
    Hör auf mit der erbärmlichen Show, du bist nicht Maurice, sondern nur ein verkleideter Emo! Bald bist du dran!
    Max zog die anderen Briefe hervor und legte sie daneben. War das ein und dieselbe Person, die sich bewusst verstellte, oder hatten verschiedene Personen die Botschaften verfasst? Wussten sie voneinander? Hatten sie sich gar abgesprochen? Nachdenklich legte Max die Stirn in Falten und biss sich auf die Unterlippe. Auf jeden Fall schienen alle Briefeschreiber zu wissen, dass er nicht ins Internet konnte und nur auf diesem Weg erreichbar war.
    Da schlichen also alle möglichen Personen ums Haus und warfen unbemerkt Briefe an ihn ein. Er würde sich auf die Lauer legen, vielleicht hatte er Glück und erwischte einen. Dann würde er wissen, ob es sich um dumme Schülerstreiche handelte. Vielleicht war jemand neidisch auf sein neues Image und wollte ihn auf diese Art einschüchtern. Oder er entdeckte, dass es sich um jemand ganz anderen handelte. Aber um wen?

Samstag, der 5. Januar
    Man glaubt es nicht. Wer schrieb mir heute Morgen eine SMS und wollte sich mit mir treffen? Annalena! Sie schlug vor, dass wir zusammen in die Stadt ins Kino fahren. Vorher wollte sie durch die Läden ziehen und ich sollte mit. Eigentlich hatte ich keine Lust auf das Gedränge. Leute auf Schnäppchenjagd sind schlimmer als eine Horde Fünftklässler auf dem Schulklo. Ich weiß, es gab mal Zeiten, da hätte ich mich um den Job als Tütenschlepper bei Annalena gerissen. Inzwischen hat sich das gelegt. Trotzdem. Es machte mich neugierig, was sie von mir wollte. Hat ihr Tobias’ Auftritt mir gegenüber auch nicht gefallen?

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