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Dunkler Zwilling

Dunkler Zwilling

Titel: Dunkler Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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sei im Reitkoffer. Dann hat sie alles durchsucht, im Reitstall angerufen und gesagt, dass sie ihr Handy vermisse. Das hat die Polizei nachgeprüft und gemeint, dass sei ein Punkt, der sie entlaste. Ihr Handy ist nie wieder aufgetaucht. Es konnte auch nicht von der Polizei geortet werden, weil es abgeschaltet war. Sie konnten nur ermitteln, dass es zum Zeitpunkt, als die SMS verschickt wurde, am Modertaler Sendemast eingeloggt war. Dieser Mast steht auf dem kleinen bewaldeten Hügel, der zwischen Modertal und unserer Schule liegt. Ich komme jeden Tag da vorbei. Ab jetzt werde ich beim Anblick des Mastes immer an diese SMS denken. Wer stand in der Nähe und bestellte Maurice dort hin?
    Annalena hat nur noch geheult. Vielleicht hat es sie erleichtert.
    Warum hast du mir das jetzt plötzlich alles erzählt?, fragte ich.
    Da rückte sie mit der Sprache heraus. Sie will, dass ich endlich aufhöre, weiter in vergangenen Geschichten herumzuwühlen und am Ende vielleicht noch Tobias verdächtige.
    Genau das hatte ich ja bereits wenige Minuten vorher getan. Daher fragte ich sie, wie sie darauf kommt, dass ich ihn verdächtigen könnte und warum das so schlimm für sie wäre? (Ich hatte mich absichtlich ein bisschen doof gestellt.) Da erzählte sie mir einige Details, die ich so genau noch nicht kannte.
    Tobias und Maurice müssen einerseits viel zusammen abgehangen haben, andererseits muss es zwischen den beiden auch voll die Konkurrenz gewesen sein. Es ging das Gerücht, dass Tobias und Maurice da was am Laufen hatten, was ihnen eine Menge Kohle brachte. Als Annalena mit Tobias zusammenkam, hat sie ihn darauf angesprochen. Er hat ihr gesagt, dass das nur böse Gerüchte gewesen seien. Sie glaubte ihm das. Er sei eigentlich ein ganz Netter und total süß zu ihr. (Kotz!) Sie meinte, viele hätten über die beiden nur deshalb abgelästert, weil sie total neidisch darauf gewesen seien, dass Tobias und Maurice immer flüssig waren. Maurice hätte von zu Hause her genug bekommen und Tobias hätte immer gejobbt. Sie drängelte, wer immer das damals mit der SMS gewesen sei, Tobias jedenfalls nicht! Deshalb sollte ich aufhören, weiter nachzuforschen.
    In dem Moment hatte ich einen Flash. Hast du Tobias das mit der SMS von dir an Maurice erzählt?, fragte ich. Sie schüttelte den Kopf und versicherte mir, dass es niemand außer mir weiß! Ha, ha. Wer’s glaubt. Wahrscheinlich hat Tobias sie auf mich angesetzt, damit ich aufhöre weiter nachzuhaken. Der Junge hat eine Leiche im Keller und will mich auf Abstand halten! Ich werde also dranbleiben! Danke, Annalena, damit hast du das Gegenteil von dem erreicht, was du wolltest.
    Unten in der Küche klappte die alte Frau Wirsing die Backofentür auf, und bückte sich, um den Braten herauszuziehen. Sonja kam heran und nahm ihr sanft die Topflappen aus den Händen.
    »Lass mich das machen, der Bräter ist doch viel zu schwer.«
    Max’ Großmutter trat zur Seite. Sie musterte ihre Schwiegertochter besorgt. Sonjas Gesicht hatte eine durchsichtige Blässe bekommen und ihre Stimme klang rau und matt. Im Flur hörte man die alte Holztreppe knarren. Andreas Wirsing kam mit schweren Schritten die Treppe hinunter.
    »Und? Kommt er wenigstens zum Essen?«, erkundigte sich die alte Frau Wirsing.
    Andreas schüttelte den Kopf und brummte etwas Unverständliches.
    Seine alte Mutter seufzte. »Den Sonntagsbraten hat er noch nie versäumt! Es ist doch sein Lieblingsessen! Ich habe eine Extraportion Klöße gemacht.« Ihre Stimme klang, als hätte sie gerade eine schlimme Diagnose gestellt.
    »Dann fangen wir eben ohne ihn an«, sagte Sonja resigniert.
    »Kommt überhaupt nicht infrage!«, rief Frau Wirsing und stapfte entschlossen die Treppe hinauf. Nach wenigen Stufen hielt sie inne und rief den beiden in der Küche zu: »Und nach dem Essen reden wir noch einmal mit ihm. Und zwar alle! So geht das nicht weiter. Das hält ja kein Mensch aus, was ihr einander antut! Heute kommt alles auf den Tisch und nicht nur der Braten.« Dann setzte sie ihren Weg fort.
    Es war ihr tatsächlich gelungen, Max zu holen. Nach einem schweigsamen Essen saßen sie um den abgeräumten Tisch. Andreas und Sonja hatten Max angekündigt, noch einmal mit ihm über das Thema von Neujahr reden zu wollen. Sie versprachen, mit nichts mehr hinter dem Berg zu halten, sondern ihm alles zu erzählen, was sie wüssten.
    »Schonungslose Aufklärung«, hatte Andreas gesagt, und Max hatte ihn aufmerksam angesehen.
    »Schonungslos für jeden?

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