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Dunkler Zwilling

Dunkler Zwilling

Titel: Dunkler Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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Wollte sie mir das sagen? Oder wollte sie mir erklären, dass sie mit ihm zusammen ist und deshalb die AG mit ihm machen will. Soll sie doch.
    Ich ließ mich auf ein Meeting mit ihr ein und dachte, es wäre auf jeden Fall besser, als nur zu Hause herumzuhängen und den Alten zu begegnen, die mich ständig mit Hungerblick anschauen und mich anbetteln, nicht mehr böse auf sie zu sein. Sie möchten, dass alles wieder so ist wie früher. Gelitten!
    Früher, das gibt es nicht mehr. Es hat noch nie ein »Früher« gegeben. Ich bin gerade damit beschäftigt, mir meine Vergangenheit mühsam neu zusammenzubasteln! Und dabei seid ihr keine große Hilfe, Sonja und Andreas!
    Ich stand also heute Mittag mit Annalena am S-Bahnhof. Es war wie immer ein mulmiges Gefühl. Es gibt kaum jemanden, der hier steht und nicht daran denkt. Man sieht es in den Gesichtern der Leute. Sie versuchen so betont cool aus der Wäsche zu gucken. Schon wieder hat einer aus dem Modertal-Schild »Mördertal« gemacht. Sie können das abwischen, so oft sie wollen. Immer gibt es irgendwen, der es wieder erneuert. Ich dachte gerade darüber nach, ob es immer dieselbe Person ist, die das tut, und ob sie es deshalb tut, weil sie mehr weiß als ich. Annalena muss ähnliche Gedanken gehabt haben, denn plötzlich fragte sie mich: Glaubst du immer noch daran, dass ihn damals jemand gestoßen hat? Ich schaute sie an. In ihren Augen stand Angst, richtige Angst.
    Dann legte sie los: Ich sage dir jetzt etwas, was du noch nicht weißt. Etwas, was ich keinem in der Klasse erzählt habe. Aber du musst mir versprechen, dass du es für dich behältst und dass du mir glaubst.
    Einen Moment musste ich nachdenken. Kann man das alles auf einmal versprechen? Andererseits bin ich oberneugierig. Deshalb sagte ich: Okay, ist gebongt.
    Und dann rückte sie raus mit einem ziemlichen Hammer. Sie erzählte mir, dass die Polizei sie verhört hatte, damals. Sie hatten Maurice ’ Handy zwischen den Gleisen gefunden und hatten einiges wiederherstellen können. Es gab eine SMS. Er war um Mitternacht zum S-Bahnhof bestellt worden.
    Ich konnte es nicht fassen. Dann ist doch klar, dass es Mord war! Wer wird von jemand anderem zu seinem Suizid bestellt? Das gibt es wohl nicht! Haben sie herausgefunden, von wem die SMS kam?, wollte ich von ihr wissen.
    Sie guckte mich an, als hätte ihr jemand gerade sämtliche Knochen gebrochen. Von mir, flüsterte sie dann.
    Waaas?, schrie ich, von dir? Du hast ihn herbestellt? Wie kaputt ist das denn? Was bist denn du für eine?
    Durch mein Gebrüll verschreckte ich sie. Sie stand nur noch da und heulte. Die S-Bahn kam. Wir stiegen ein. Als ich mich neben sie setzte, stand sie auf und setzte sich drei Reihen weiter nach vorne. Ich überlegte, ob ich nicht wieder aussteigen und sie da sitzen lassen sollte. In diesem Moment hasste ich sie richtig. Sie ist die Pest! Sie ist genauso eine wie ihr neuer Freund Tobias. Am Ende ist es folgendermaßen gelaufen, dachte ich plötzlich. Tobias war schon damals wegen Annalena eifersüchtig auf Maurice. Sie wollten ihn loswerden. Sie bestellten ihn zur S-Bahn-Haltestelle und er gab ihm einen Tritt. Eigentlich müsste ich sofort zur Polizei und sie anzeigen. Ich stand auf. Die S-Bahn würde erst in 5 Minuten losfahren. Modertal ist die Endstation. »Endstation Mördertal«, dachte ich.
    Doch dann wurde es langsam wieder etwas klarer in meinem Hirn. Warum sollte ich zur Polizei gehen? Die Polizei hat sie doch schon verhört, die haben doch schon einiges herausgefunden und anscheinend konnten sie ihr nichts nachweisen. Ich schaute nach vorne, sah wie schief ihre Strickmütze auf dem Kopf saß und wie sie zitterte. Die ist echt fertig, dachte ich. Sieht so eine Mörderin aus? Eigentlich nicht, musste ich zugeben. Aber vielleicht sah so jemand aus, der etwas mit sich herumschleppt, was er endlich loswerden will. Ich ärgerte mich, dass ich es verbockt hatte. Sie hätte mir alles erzählt. Also, probierte ich es noch einmal.
    Ich setzte mich neben sie. Sie blieb sitzen. Ich strich ihr ein bisschen über den Arm. Sie ließ es sich gefallen. Die Bahn fuhr los. Eine Weile schauten wir aus dem Fenster. Eine halbe Stunde dauert die Fahrt in die Stadt, eine halbe Stunde, in der ich mehr erfuhr als im letzten halben Jahr. Ihr Handy sei ihr an dem Tag geklaut worden. Es war ein Samstag. Am Vormittag, im Reitstall, hätte sie es noch gehabt. Auf dem Heimweg hat sie in ihrer Tasche gewühlt und es nicht mehr gefunden. Sie dachte, es

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