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Dunkler Zwilling

Dunkler Zwilling

Titel: Dunkler Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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fragte Sonja.
    Die Großmutter machte eine verächtliche Handbewegung. »Die Schwangerschaft und die Geburt waren vermutlich so leicht oder so schwierig wie jede andere auch. Die Frau von Bentheim war schwierig. Brigitte kam oft ganz aufgelöst zu mir. Die von Bentheim wollte keine ärztliche Hilfe und bestand auf einer Hausgeburt, obwohl von vorneherein klar war, dass das bei ihr nicht leicht sein würde. Ständig hatte sie Sonderwünsche und Brigitte ist gerannt und hat alles für sie erledigt. Trotzdem kam schon bald die nächste Forderung.«
    »Brigitte? Ist das Brigitte Wiesner, mit der du 2005 diese Bürgerinitiative gegen die Bebauung der Klapperwiese gegründet hast?«, fragte Sonja.
    Die Großmutter nickte.
    Sonja lächelte ein wenig. »Ich wusste gar nicht, dass sie Hebamme war.«
    »Ja, das war sie, und eine sehr gute. Alle hier haben auf sie geschworen und ihr mehr vertraut als so manchem studierten Mediziner. Maurice’ Geburt war, glaube ich, ihre letzte. Danach hat sie sich zur Ruhe gesetzt. Ach, ich vermisse sie. Wie oft haben wir da draußen im Garten gesessen und über die Pflanzen gesprochen. Sie kannte alle Heilkräuter und ihre Wirkungen und hat Vorträge über Naturmedizin gehalten.«
    Max verzog nachdenklich die Stirn. Brigitte Wiesner? Der Name kam ihm bekannt vor, er erinnerte sich nur nicht mehr, woher.

Sonntag, der 6. Januar
    Nun sind sie endlich mit allem herausgerückt. Nicht nur, dass sie mich adoptiert haben, nein, ich bin auch noch ein Findelkind vom Klo. Superstart, Max! Gratuliere! Das muss ich obergeheim halten, sonst könnte ich mich nicht retten vor Leuten, die mich deswegen dizzen. Vielleicht erzähle ich es Chiara. Weiß nicht, mal sehen. Dass Maurice mein Zwillingsbruder ist, kann ich auch endgültig haken. Oma jedenfalls ist sich bombensicher, dass das Kind von der Bentheim nicht auch ein Findelkind ist, sondern dass ihre Freundin Brigitte die Geburt voll real miterlebt hat. Ich lege mal hier den Zeitungsartikel bei. Oma hat ihn mir überlassen. Als Sonja nicht mehr im Zimmer war, hat Oma mir gestanden, dass sie den Artikel damals ausgeschnitten hatte, weil sie hoffte, Andreas und Sonja könnten dieses Kind bekommen. Oma war daher zu Renate Herold gegangen, die auch hier in der Siedlung wohnt. Die war zu der Zeit Sozialarbeiterin beim Jugendamt, und Oma hat sie gebeten, dort ein gutes Wort für ihren Sohn und ihre Schwiegertochter einzulegen, damit sie das Findelkind vom Uniklo bekommen. Durch Renate Herold war Oma damals auch immer auf dem neuesten Stand, was die Fahndung nach der Mutter des Kindes betraf. Der Mann von der Renate Herold war nämlich bei der Kriminalpolizei. Der weiß wahrscheinlich bis heute nicht, was seine Frau alles weitergeplappert hat.
    Aber so ist Oma. Sie macht immer hintenherum Politik und die wenigsten Leute merken, was sie so alles einfädelt. Insofern war das echt eine Sensation, als meine Oma eines Tages ganz offen und laut protestieren ging. Meine Oma! Wir haben noch Fotos, wie sie Transparente gemalt hat und in einer Riesendemo zur Klapperwiese gepilgert ist. Einmal hat sie mich mitgenommen und später einen Riesenkrach mit Andreas bekommen. Ich war damals acht und fand es lustig, die Oma und mich mit einem Vorhängeschloss an den nächsten Baum zu ketten. Es ging um die Gelbbauchunken im Moderbachtümpel, um die Hufnasenfledermaus und die alten Hochstamm-Obstbäume. Auf der Klapperwiese sollten damals weitere Wohnblocks gebaut werden. Oma ist heute noch voll stolz, dass sie es damals geschafft haben, das zu verhindern. Inzwischen ist die Klapperwiese sogar ein Naturschutzgebiet, und es würde mich nicht wundern, wenn Oma es mit ihrer Initiative noch fertigbringt, ganz Modertal als Weltnaturerbe casten zu lassen.
    Eben habe ich eine SMS bekommen. Chiara kommt morgen. Ich werde sie am Flughafen abholen. Sie hat es wirklich fertiggebracht, ihre Familie herumzukriegen, dass sie die Woche alleine im Bentheim-Schlösschen wohnen darf. Chiara kann beinhart sein, wenn sie etwas will. Sturmfreie Bude, hat sie geschrieben. Na, das kann was werden.
    Blitzschnell drehte Chiara mit der Gabel die Spaghetti in der Tomatensoße und führte dann ein perfekt gewickeltes kleines Knäuel zum Mund. Max probierte dieses Kunststück erst gar nicht, er nahm einen Esslöffel zu Hilfe, in dem er die Nudeln mühsam um die Gabel drehte. Trotzdem machte sich immer eine Nudel selbstständig und löste sich tropfend in Richtung Teller. Max stopfte alles schnell in den Mund

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