Dunkles Begehren
keinen Besucher empfängt. Es würde sie zu sehr aufregen.
Selbstverständlich hat sie damit nicht Sie gemeint, Sir, da Sie Skylers Arzt
sind, doch ich kann ihren Anweisungen nicht zuwider handeln. Sobald Francesca
nach Hause kommt, wird sie dieses Missverständnis mit Sicherheit aufklären.«
Brice fluchte leise
und schien Santino mit seinem Blick durchbohren zu wollen. »Ich kenne Sie nicht
einmal. Warum sollte Francesca Sie damit betrauen, meine Patientin zu beaufsichtigen?
Ich bestehe darauf, mit Skyler zu sprechen. Ich will mich vergewissern, dass es
ihr gut geht.«
Santino lächelte noch
immer, doch seine Augen blickten kühl. »Wollen Sie damit andeuten, dass ich die
junge Dame in ihrem eigenen Haus gefangen halte?«
»Ich weiß nicht, was
Sie im Schilde führen. Francesca ist eine gute Freundin von mir.« Brice'
Tonfall klang überaus viel sagend. »Sie hätte es mir erzählt, wenn sie
irgendwelche Vorkehrungen für Skyler getroffen hätte.«
»Vielleicht ist die
Freundschaft nicht ganz so eng, wie Sie dachten, Sir«, erwiderte Santino sehr
leise.
Brice trat vor, um den
Mann einzuschüchtern, während seine kochende Wut ihm beinahe den letzten Rest
von Vernunft raubte. »Wie können Sie es wagen?«
Santino wich nicht
zurück, verzog nicht einmal eine Miene. Er stand einfach still im Türrahmen,
muskulös, wie ein unüberwindlicher Fels. Ein anderer Mann trat plötzlich
hinter Brice. Skylers Leibwächter stand am Fuße der Treppe, die Arme vor der
Brust verschränkt.
Brice schluckte
seinen Zorn hinunter und nahm Abstand von Santino. »Skyler, komm her. Ich nehme
dich jetzt mit«, rief er in die Diele. »Ich meine es ernst. Wenn du jetzt nicht
mit mir gehst, werde ich sofort den Richter aufsuchen und darauf bestehen, dass
du meiner Obhut überstellt wirst.«
Skyler barg das
Gesicht in den Händen und wimmerte ängstlich.
Tief unter der Erde
in der verborgenen Kammer lagen zwei Körper reglos, wie tot. Doch in der Stille
begann plötzlich ein Herz zu schlagen. Gabriel spürte die große Angst des
jungen Mädchens, die ihn aufgeweckt hatte. Sofort nahm er auch die Anwesenheit
seines Zwillingsbruders wahr. In diesem Augenblick waren sie wie ein Mann,
beseelt von einem einzigen Gedanken. Jemand bedrohte ein Kind, das unter ihrem
Schutz stand, und sie würden es nicht zulassen.
Es wäre Gabriel
schwergefallen, Francesca dieses Phänomen zu erklären. Es machte Lucians
Einzigartigkeit aus. Deshalb fiel es Gabriel so schwer, ihn zu verdammen und
Jagd auf ihn zu machen. Lucian suchte die telepathische Verbindung zu Gabriel,
und sie wurden eins miteinander, stark und tödlich und allein der Jagd
verschrieben. Auch wenn seine Motive undurchsichtig waren, schien Lucian doch
ebenso fest entschlossen zu sein wie Gabriel, dass Skyler nicht weiter
eingeschüchtert werden durfte. Gabriel konnte sich seinem Bruder ebenso wenig
entziehen wie seinem natürlichen Instinkt, die Frauen seines Hauses zu beschützen.
In diesem Augenblick waren sie wahrhaftig zu einem Wesen verschmolzen.
Gabriel verließ
seinen Körper. Sein Geist erhob sich und glitt schnell durch die Erdschichten
ins Haus hinauf. Es war ein eigenartiges Gefühl, sich von seinem eigenen Körper
zu trennen, verwirrend und aufregend zugleich. Bei Tage verfügte Gabriel nur
über einen Bruchteil seiner immensen Kräfte, doch es gelang ihm, als reine
Energie durchs Haus zu schweben, bis er die Ursache der plötzlichen Störung
ausgemacht hatte.
Trotz Santinos
kräftiger Gestalt strömte Sonnenlicht durch die offene Tür ins Haus. Gabriel
zuckte vor dem Licht zurück, obwohl er seinen Körper zurückgelassen hatte,
sodass die Sonne ihn nicht blenden konnte. Er näherte sich Skyler, die sich nun
zitternd in den Sessel kauerte, einsam und verloren. Sofort durchflutete
Gabriel ihren Geist mit Wärme und einem Gefühl der Sicherheit, während Lucian
ihm Kraft gab, damit sich Skyler schnell beruhigte.
Die Kleine hob den
Kopf und blickte sich um. Es verwirrte sie, dass sie Gabriels Anwesenheit
spürte, obwohl er nicht im Zimmer war. Dann warf sie Drusilla einen Blick zu,
um herauszufinden, ob auch die Haushälterin etwas spürte. Sie würde auf keinen
Fall mit Brice gehen, gleichgültig, was die anderen sagten.
Das brauchst du auch nicht,
Kleines. Es war eine eindeutig männliche Stimme, beruhigend,
tröstlich und voller Zuversicht. Weder Santino noch ich werden es zulassen, dass du
gegen deinen Willen aus diesem Haus geschleppt wirst. Brice ist krank.
Skyler
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