Dunkles Begehren
»Er.«
»Gabriel? Willst du
etwa andeuten, dass Gabriel etwas mit Thompsons Tod zu tun hatte?« Francesca
klang empört und belustigt zugleich. »Das kann doch nicht dein Ernst sein,
Brice.«
»Er hat seine Hand
zerquetscht, Francesca. Dein Gabriel. Er hat die Faust dieses Mannes mit einer
Hand zerquetscht, ohne sich dabei auch nur im Geringsten anzustrengen. Außerdem
habe ich nicht einmal gesehen, wie er das Zimmer betreten hat. Plötzlich war er
einfach da. Etwas stimmt nicht mit ihm. Seine Augen. Sie sind nicht menschlich. Er ist nicht menschlich.«
Verblüfft starrte
Francesca ihn an. »Nicht menschlich? Wie meinst du das? Ein Phantom? Ein Geist,
der durch die Luft fliegt? Was soll das? Vielleicht hebt er Gewichte.
Vielleicht ist er so stark, weil er regelmäßig trainiert und einen Adrenalinschub
verspürt hat. Was willst du mir sagen?«
»Ich weiß es nicht,
Francesca.« Wieder fuhr sich Brice durchs Haar. »Ich weiß nicht, was ich davon
halten soll, doch seine Augen sind nicht die eines Menschen. Nicht als er
Thompson gegenüberstand. Er ist anders.«
»Ich kenne Gabriel.
Er ist ganz normal«, beharrte Francesca.
»Vielleicht
kanntest du ihn früher einmal. Menschen verändern sich, Francesca. Etwas ist
mit ihm geschehen. Natürlich ist er kein Phantom, das durch die Luft fliegen
kann. Doch er ist gefährlich.«
»Gabriel ist einer
der gutmütigsten Männer, die ich kenne.« Francesca machte Anstalten, in Skylers
Zimmer zurückzukehren.
Brice packte sie am
Arm, doch in seinem Arger fasste er viel fester zu, als es nötig gewesen wäre.
Gleich darauf schien sich ein Nerv in seinem Arm einzuklemmen, sodass er völlig
taub wurde. Brice schrie auf, musste Francesca jedoch loslassen, weil er
keinerlei Kraft in seinem Arm spürte. »Was zum Teufel ...? Francesca, mein
Arm! Wo willst du hin?«
»Ich bin jetzt zu
müde, um mich mit dieser Sache auseinanderzusetzen. Du bist eifersüchtig,
Brice. Das kann ich dir nicht einmal vorwerfen, doch ich bin erschöpft und
möchte jetzt nicht mehr über Gabriel sprechen, besonders dann nicht, wenn du
derartige Anschuldigungen von dir gibst. Schließlich weißt du überhaupt nichts
von ihm.« Francesca öffnete die Tür und wäre beinah mit Gabriel
zusammengestoßen.
Beschützend beugte
er sich über sie. »Was ist denn, Liebste, stimmt etwas nicht?« Er legte ihr den
Arm um die Schultern und zog sie an sich. Selbstverständlich hatte er nicht nur
das Gespräch belauscht, sondern kannte auch alle Vorwürfe und Andeutungen, die
Brice nicht ausgesprochen hatte. Über Francescas Kopf hinweg sah er dem Arzt
in die Augen. Sein Blick drückte eine unmissverständliche Warnung aus.
Erschrocken hielt
Brice inne. Mehr denn je war er überzeugt davon, dass Gabriel überaus
gefährlich war. Die Kraft war in seinen Arm zurückgekehrt, und er beschloss,
sich bald untersuchen zu lassen. Halt suchend lehnte er sich an die Tür, fest
entschlossen, die Sache zu Ende zu bringen. »Francesca, wir müssen uns
überlegen, wie wir jetzt mit Skyler verfahren wollen. Ich bezweifle, dass ihr
Vater ihr irgendetwas hinterlassen hat, und nach seinen Angaben war er ihr
einziger Verwandter.«
Francesca wandte
sich zu ihm um. »Für Skyler ist gesorgt. Ich beabsichtige, die Vormundschaft
für sie zu übernehmen. Schließlich habe ich ihr versprochen, immer für sie da
zu sein.«
Entsetzt hob Brice
die Hände gen Himmel. »Das kannst du nicht, Francesca. Du bist doch nicht für
jede verlorene Seele in dieser Stadt verantwortlich. Du kennst das Mädchen ja
nicht einmal. Vielleicht eifert Skyler eines Tages sogar ihrem Vater nach. Auf
jeden Fall aber wird sie in den nächsten zwanzig Jahren ständig Therapie
brauchen.«
»Brice.« Francesca
klang den Tränen nahe. Sie atmete tief durch und bemühte sich, vernünftig mit
ihm zu reden. »Was ist nur mit dir los?«
Auch Brice
versuchte, sich zusammenzunehmen. »Ich weiß, dass du diesem Mädchen helfen
willst. Ich möchte Skyler weiß Gott auch helfen, doch alles hat seine Grenzen.
Sie braucht professionelle Hilfe, nicht uns beide.«
»Was würden Sie vorschlagen,
Dr. Renaldo?«, fragte Gabriel leise.
Seine wachsamen
Augen erinnerten Brice an ein Raubtier. An einen Wolf auf der Jagd. Er
schauderte. »Ich schlage vor, dass sich Fachleute um sie kümmern. Es gibt
Menschen, die sich besser mit diesen Dingen auskennen. Francesca könnte ja
etwas Geld spenden, falls sie es möchte.«
Francesca sah Brice
an. »Ich habe ihr mein Wort gegeben. Sie ist
Weitere Kostenlose Bücher