Dunkles Begehren
nicht unbedingt nötig ist.«
Francesca musste
plötzlich lachen. »Und manchmal ist es erforderlich, meine Privatsphäre zu
verletzen?«
»Nun, ich bin ein
karpatianischer Mann und dein Gefährte. Daran kann ich nichts ändern. Es gibt
Dinge, die ich brauche, um meinen Seelenfrieden zu bewahren. Doch ich würde niemals
an Orte vordringen, an denen ich nicht erwünscht bin.« Der Wind spielte in
Gabriels langem schwarzen Haar, das ihm über die breiten Schultern fiel. Er
wirkte sehr einsam. Er suchte nicht nach Francescas Zustimmung, sondern stellte
lediglich eine Tatsache fest.
Francesca
betrachtete sein Gesicht, das in silbriges Mondlicht getaucht war. Gabriel sah
sehr gut aus, seine markanten Züge waren die eines Mannes, nicht die eines
Jungen - sein Mund war sinnlich, die Augen funkelten vor Leidenschaft oder
schimmerten so kalt wie schwarzes Eis. Sie lächelte, als sie seine Wimpern
musterte. Sie waren lang, schwarz und dicht. Jede Frau hätte Gabriel um diese
unglaublichen Wimpern beneidet. Er wahrte den Abstand von ihr und bemühte
sich, sie nicht unter Druck zu setzen. Francesca respektierte ihn dafür. Im
Augenblick schien man von allen Seiten an ihr zu zerren, und sie war froh
darüber, dass Gabriel ihr einfach nur Gesellschaft leisten wollte.
»Ich habe nach
einem Ort gesucht, der nicht wirklich zur Stadt gehört. Hier stelle ich mir
vor, in den Bergen zu sein.
Manchmal kann ich
sogar die Wölfe hören, die einander zurufen.« Sie strich sich das lange Haar
aus dem Gesicht, doch der Wind zupfte immer wieder spielerisch daran. »Ich
vermisse unsere Heimat. Ich würde sie gern einmal wiedersehen, habe jedoch
inzwischen schon so lange in Paris gelebt, dass ich mir nicht sicher bin, ob
sich meine Erinnerungen nicht verklärt haben.«
Gabriel nickte.
»Ich weiß, was du meinst. Auch ich bin seit hunderten von Jahren nicht mehr
dort gewesen. Den Leuten behagte meine Anwesenheit nicht, und als Lucian seine
Seele verlor, konnte ich nichts anderes tun, als ihm zu folgen.«
»Wie du es dein
Leben lang getan hast«, stellte Francesca ohne Bitterkeit fest. »Ich bin stolz
auf dich, Gabriel. Ich weiß, dass ich mich nicht richtig verhalten habe, doch
zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass dein plötzliches Auftauchen mich
sehr überrascht hat und nicht in meine Pläne passte. Auf meine Weise habe ich
immer versucht, deinen Kampf für unser Volk zu unterstützen. Ich akzeptierte
deine Entscheidung und wusste, dass du deine Verantwortung niemals
vernachlässigen würdest. Also habe ich versucht, auch meinem Leben einen Sinn
zu geben.« Francesca betrachtete ihre Hände. »Ich war so lange allein.«
»Hattest du
Angst?«, fragte Gabriel sanft.
Der Klang seiner
Stimme ließ Francescas Herz schmelzen. »Ja, besonders am Anfang. Ich wusste,
dass ich meine Heimat verlassen musste, um den Männern unseres Volkes das Leben
zu erleichtern. Ich ging während der Zeit der großen Kriege, als wir so viele
Angehörige unseres Volkes verloren. Es bedurfte sorgfältiger Planung. Damals
war ich noch sehr jung und fürchtete, Gregori würde mich finden und
zurückbringen. Das war meine größte Angst, doch manchmal fühlte ich mich so
einsam, dass ich hoffte, sie würden mich doch entdecken. Danach schämte ich
mich für meine Selbstsüchtigkeit.«
»Es tut mir sehr
leid, dich in diese schreckliche Lage gebracht zu haben.« Aus Gabriels Worten
sprach aufrichtige Reue. Er sah traurig aus, und seine faszinierenden Augen verrieten
den heftigen Kampf, der in seinem Innern tobte.
Francesca suchte
die Verbindung zu ihm. Obwohl sie sich insgeheim dafür schämte, an seinen
Worten zu zweifeln, konnte sie nicht anders. Sie musste wissen, ob er die
Wahrheit sagte oder nur die Dinge, die sie hören wollte. Sorgfältig studierte
sie seine Gedanken. Francesca war nicht einmal annähernd so alt wie er und
verfügte auch nicht über seine Fähigkeiten, doch sie war auch nicht mehr so
unerfahren, dass er sie hätte täuschen können. Gabriel empfand echten Kummer,
weil er die Schuld an ihrer Einsamkeit trug. Er wusste, dass er sich nicht
anders hätte entscheiden können, denn darunter hätten zu viele andere leiden
müssen, doch er wünschte sich, es wäre anders gewesen. Auch er kannte die
Einsamkeit. Immer weiter hatte sich die Finsternis in seiner Seele ausgebreitet
und gedroht, ihn zu überwältigen. Gabriel hatte eine endlose Schlacht ausgefochten.
Erschrocken keuchte
Francesca auf, als ihr bewusst wurde, dass er den Kampf
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