Dunkles Blut: Thriller (German Edition)
geht die Stufen zum Gehsteig hinunter: Neil. An der Straße bleibt er stehen, schaut nach links, dann nach rechts und wieder nach links – wie ein braver kleiner Junge –, läuft dann hinüber zum Wagen und steigt hinten ein.
» Saukalt da draußen, echt.« Er rutscht vor. » Dreh mal die Heizung auf.«
» Ja … Nein, ich muss jetzt Schluss machen, okay? Tschüss, Schätzchen.« Und Julie legt auf. Sie dreht sich nicht um. » Wie sieht’s aus mit den Türen?«
Neil grinst. » Du hattest recht: In Schottland kann man tatsächlich die Bullen in ihrem eigenen Revier observieren, ohne dass eine Sau was merkt.«
Sie nickt. » Hab ich doch gesagt.«
» Er hat Zimmer 322.«
» Bist du sicher?«
» Bin ihm bis in den Flur nachgegangen. Hab gesehen, wie er in sein Zimmer rein ist. Ist ein Doppelzimmer mit französischem Bett, falls das hilft?«
Julie dreht sich zu ihm um und lächelt. » Hast du gut gemacht, Babe.«
» Hab mir auch die Rückseite angeschaut. Da ist eine Laderampe, wo wir mit dem Brecheisen reinkönnen, und ein paar Überwachungskameras. Aber die Kabel sind auf Putz verlegt, die kannst du also einfach durchschneiden, ohne dass die Trottel irgendwas merken.«
Tony wirft noch eine Magentablette ein. » Willst du ihn heute Abend schnappen?«
Sie antwortet nicht gleich, legt den Kopf schief und kaut auf der Innenseite ihrer Wange herum. » Ich finde, wir sollten lieber erst den Boss anrufen, meint ihr nicht?«
Neil nickt. » Und uns dann was zu essen holen?«
Tony rülpst und zieht eine Grimasse. » Nicht schon wieder dieses Inderzeugs.«
Dann stellt Neil die Wer-wird-Millionär- Millionenfrage: » Was ist mit Knox?«
» Was soll mit ihm sein?«
» Na ja, sollten wir nicht irgendwas machen? Uns vorbereiten oder so?«
» Alles zu seiner Zeit, Babe.« Sie malt mit der Fingerspitze ein Smiley-Gesicht auf die Innenseite ihres Fensters. » Alles zu seiner Zeit.«
19
Logan schnellte kerzengerade vom Sofa hoch und blinzelte verwirrt. Alles drehte sich um ihn. Die Lichter im Wohnzimmer brannten, in der Ecke brabbelte der Fernseher vor sich hin. » Urgh …«
Steve Polmonts Tagebücher waren über den ganzen Teppich verstreut; eines lag aufgeschlagen auf dem Couchtisch. Hier und da markierte ein knallgelber Klebezettel eine Stelle in den zerfledderten Seiten, wo Logan das Gekritzel zumindest teilweise hatte entziffern können.
Er blinzelte noch einmal. Sah auf die Uhr am DVD -Spieler. Viertel vor Mitternacht.
Gähn.
» Sam? Bist du zu Hause?« Logan rieb sich das Gesicht. Die Nachricht auf dem Anrufbeantworter ließ ihn wissen, dass sie wieder mal eine Doppelschicht schob, weil sie für ein neues Tattoo sparte.
Und dann klingelte es wieder an der Tür.
» Herrgott noch mal, Sam …«
Logan hievte sich hoch und schlurfte zur Wohnungstür. Er fröstelte und fühlte sich überhaupt ziemlich mies. Dabei hatte er noch nicht mal gesoffen; er war nach Hause gekommen, hatte eine vegetarische Lasagne in die Mikrowelle geschoben und sich Polmonts Tagebücher vorgenommen, während im Hintergrund eine alte Folge von Taggart lief. » Es ist ein Morrrrd passierrrrrt …«
Die Kälte drang durch Logans Socken, als er die Stufen zur Haustür hinuntertappte. Wieder ertönte die Klingel, ein nerviges Schnarren, das durch Mark und Bein ging. » Ja doch, ich komm ja schon.« Er schob den Riegel zurück. » Kannst du nicht mal dran denken, deinen verdammten –«
Reuben.
Mist.
Das Gesicht des schweren Mannes war eine Ansammlung von Blutergüssen, die sich sternförmig von der mit weißem Verbandmull bedeckten Nase ausbreiteten. Seine Augen waren geschwollen, in blaue und lila Schatten gehüllt. Im linken war kein bisschen Weiß mehr zu sehen; die Iris schwamm in einem blutroten See wie eine zornige Olive in einer Bloody Mary. Heftpflaster auf der Stirn.
Logan versuchte die Tür zuzuschlagen, doch Reuben hatte den Fuß dazwischengeklemmt. Sie ließ sich keinen Millimeter bewegen.
Lauf. Dreh dich um und renn nach oben, so schnell du kannst. Vielleicht könnte er sich in die Wohnung retten, ehe Reuben ihn einholte und zu Tode prügelte.
Logan trat einen Schritt zurück.
Der kräftige Mann hielt ein Päckchen hoch. Es hatte ungefähr die Größe eines Laptops, nur dicker; eingeschlagen in fröhliches gelbes Geschenkpapier und umwickelt mit einem blauen Band, dessen Enden gekräuselt und zu einer Schleife zusammengebunden waren.
» Mit den besten Empfehlungen von Mr. Mowat.« Er klang stark verschnupft.
Logan
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