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Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis

Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis

Titel: Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Schröder
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um Gottes willen mochte in einem Verstand vor sich gegangen sein, der einen derart verrückten Bauplan ausbrütete? Die Anordnung der Räume schien vollkommen willkürlich erdacht. Wenn man überhaupt von einer Ordnung sprechen konnte, dann nur von der des Chaos. Die vielen Winkel zu erforschen und immer wieder ein neues Zimmer zu entdecken, mochte ja aufregend sein, solange man nicht unterwegs verhungerte, weil man nicht mehr zurückfand. Seine Zimmer, erklärte Denis, lagen besonders gut versteckt, und außer ihm und Lucas kannte sie niemand.
    «Ich nenne sie meinen geheimen Garten», verkündete er stolz, «wie in der Geschichte, wo sich diese Kinder einen Garten anlegen und niemand außer ihnen davon weiß.»
    Er führte sie um die nächste Korridorecke, und im Halbdunkel vor ihnen konnte sie eine weitere Treppe entdecken, die diesmal, jedoch im Gegensatz zu den anderen, an einer Tür endete.
    Denis blieb stehen und sie sah, wie er an dem Kragen seines Hemdes herumfummelte und schließlich eine Kette mit einem Schlüssel daran zum Vorschein brachte.
    Er stapfte die Treppe hinauf und sie konnte hören, wie er mit dem Schlüssel vergeblich versuchte, das Schloss zu öffnen.
    «Hier ist es wirklich sehr finster», murmelte er, «aber jetzt hab ich's gleich, nur einen Augenblick.»
    Endlich stieß er die Tür auf. Sie knarrte leise in den Angeln. Dahinter war wieder nur Dunkelheit.
    «Warte, ich mach erst Licht!»
    Damit verschwand er in der undurchsichtigen Schwärze. Doch kurz darauf flammten mit dem Klicken eines Schalters die Lichter eines sechsarmigen Leuchters an der Zimmerdecke auf. Zögernd betrat sie Denis kleines Reich. Das Chaos war erdrückend und ungleich schlimmer dem, das sie zuvor unten im Salon sah.
    Am meisten irritierten sie die runden Wände. Denis »Garten« war offensichtlich in einem Turm angelegt. Karen erinnerte sich. Gestern, bei ihrer Ankunft sah sie ein spitz zulaufendes, rundes Dach auf der linken Seite hinter dem Haus. Verrückt, sie konnte sich nicht daran erinnern, den Turm gesehen zu haben, als sie vorhin im Garten war. War er womöglich in das Haus gebaut? Wie sonst war zu erklären, dass seine Außenwände weder von der einen, noch von der anderen Seite aus sichtbar waren. Aber nein, dort war ja ein Fenster. Also musste wenigstens eine Hälfte des Turmes freiliegen.
    Wie dem auch sein mochte, jedenfalls war dieser Ort ein herrliches Versteck für jemanden wie Denis, denn nur vor den neugierigen Blicken anderer verborgen, schien er seine Persönlichkeit frei und ohne Scham entfalten zu können.
    Das runde Zimmer war angefüllt mit Leinwänden. Verwirrend farbenprächtige Gemälde leuchteten wie in ein eigenes, magisches Licht getaucht. Da waren Landschaften voller Leben, dass man glauben konnte, durch ein Fenster ins taghelle Außen zu blicken. Und Porträts von Gesichtern, die so lebensecht wirkten, als wollten sie jeden Augenblick zu lachen, reden und zu weinen anfangen. Frauen, Männer und Kinder, die in vergessenen Legenden lebten und unter ihrer Aufmerksamkeit zu neuem Leben erwacht, ihr entgegenkamen, um sie zu begrüßen.
    Und überall auf dem Boden verteilt lagen verschmierte Farbpaletten, auf denen Ölfarben trockneten, deren Geruch wie nach rohem Fisch sich mit dem beißenden Aroma des Terpentins in den vielen Töpfchen und Schalen vermischte. Sie erschrak, als Denis ein kleines Sofa neben dem rußigen Kamin, mit dem noch rußigeren Teppich, davor freischaufelte und dabei ein Dutzend Papierseiten wie übergroße, viereckige Schneeflocken zu Boden segelten.
    «Bitte, wenn du magst, kannst du dich setzen», bot er an, doch sie war noch viel zu sehr damit beschäftigt, diese Vielfalt zu erfassen. Neben dem Sofa konnte sie unter gestapelten Papierstößen noch zwei Sessel und einen ungemütlich kleinen Stuhl als Sitzmöbel ausmachen. Außerdem stand mitten im Zimmer ein runder Tisch mit einem Durchmesser von nicht mehr als vierzig Zentimetern, dessen einzige Aufgabe war, einen fünfarmigen Kandelaber zu tragen, unter dessen Gewicht er jeden Augenblick zusammenzubrechen drohte.
    Drei Staffeleien unterschiedlicher Größe und Konstruktion lehnten an der Wand. Eine einzelne stand frei im Raum, als bilde sie das Zentrum dieses außergewöhnlichen Mandalas, das Möbel, Papier, Leinwandgesichter und Nippes woben.
    Von jener Staffelei lächelte Denis jüngstes Projekt in das Durcheinander. Das noch etwas blasse und erst halb fertige Porträt einer Greisin.
    Neugierig sah sie zu der

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