Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis

Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis

Titel: Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Schröder
Vom Netzwerk:
sie nennst, zu schaffen und die dann nur stumm und starr in die Gegend glotzen.»
    Sie war völlig perplex über seinen unerwarteten Gefühlsausbruch. Er musste sehr verzweifelt sein. Wie tief mussten die Wunden sein, die Jarout und alle anderen ihm immer wieder zufügten? Immer wieder und wieder auf die eigene Unzulänglichkeit gestoßen zu werden, solange bis man selber daran glaubte, das musste auf Dauer unerträglich sein.
    «Tut mir Leid, Denis», hauchte sie. Wie traurig er aussah. Doch ihr fielen keine Worte ein, mit denen sie ihm wirklichen Trost geben könnte.
    «Nein, ich verstehe ja, was du meinst und ich weiß auch, was du siehst. Ich erinnere mich an die Blicke und Worte der Menschen, die mir vor langer Zeit großen Ruhm und Bewunderung prophezeit haben. Für eine Weile hatte ich ja auch tatsächlich so etwas wie Erfolg. Ich schätze, in einigen Häusern und vielleicht sogar Museen, wird man heute noch zeitgenössische Werke des begabten Anonymus finden. Doch das ist lange vorbei.»
    «Aber wieso? Du könntest doch wieder ausstellen und ganz schrecklich berühmt werden.» Sie versuchte ihrer Stimme einen leichten Klang zu geben, doch sie wusste bereits im Voraus, was sie zur Antwort bekam.
    «Du verstehst das nicht. Ich kann das nicht. Glaube mir, ich malte mir oft genug aus, wie es wäre, diesen Ort zu verlassen. Ich stelle es mir manchmal vor, und in meinen Träumen sehe ich alles ganz genau vor mir. Weil alle Welt Künstler nun einmal für exzentrisch hält, wäre es nicht weiter verwunderlich, warum ich nur nachts zu sprechen wäre. Ich könnte mir durch meinen Status und mein Geld jemanden suchen, der mir bei der Jagd hilft und mich liebend gern durchfüttert, und ich könnte mir von Lucas sogar beibringen lassen, wie man in der Welt dort draußen mit ihren modernen Menschen, den Alarmanlagen, den hermetisch abgedichteten Fenstern und den anderen Merkwürdigkeiten überlebt. Aber ich schaffe das nicht. Ich bringe die Kraft für einen Anfang einfach nicht auf. Du ahnst nicht, wie schwer es mir fällt, sogar in Jarouts oder Seamus Begleitung nachts hinauszugehen und all diese Menschen zu sehen.»
    Sprachlos blickte sie zu ihm. Denis sah so hilflos aus. Mutlos und mit hängenden Schultern stand er vor ihr. Tränen legten einen roten Schleier vor seinen zuvor so strahlenden Blick. Verzweifelt wünschte sie, sie hätte die Macht, ihm all seine Angst zu nehmen, sodass er wie ein Schmetterling aus der zerbrochenen Puppe hervorkriechen könnte, um allen zu zeigen, was sich hinter all den Gespinsten und trockenen Hüllen verbarg.
    Hier hatte er sich eine Bühne für seine weit schweifenden Träume geschaffen. Diese Räume schienen mit ganzer Kraft zu sagen: Seht her, seht alles an. Das hier ist Denis. Er ist so fein und weich wie die Muster auf den orientalischen Teppichen unter euren Füßen. So geistreich wie die vielen klugen Bücher in den Regalen und so strahlend wie dieses Fenster.
    All das war er, und nur hier konnte er seine ganze Persönlichkeit herauslassen. Wie sehr musste er sich nach jemandem sehnen, der die vielen kleinen Details sah, der ihn sah? Konnte sie das?
    Intuitiv breitete sie ihre Arme aus und zog seinen schmalen Körper zu sich heran. Erst versteifte er sich und wollte sich aus ihrer Umarmung befreien, doch dann spürte sie, wie seine Arme sich um ihre Mitte schlangen und er sich ganz weich an sie lehnte.
    Sie kannte ihn erst wenige Minuten und dennoch war er ihr auf erstaunliche Weise vertrauter und näher, als je ein Mensch vor ihm. Sie wusste, was es heißt, nicht die Liebe und Aufmerksamkeit von gerade demjenigen zu bekommen, von dem man sie sich am meisten wünscht. Bei ihm war das Jarout und bei ihr ... Lucas. Gott, wäre er jetzt hier, sie könnte ihn umbringen. Verdammt sollst du sein, du Miststück von einem Vater! dachte sie und presste fest die Lippen aufeinander, um nicht laut herauszufluchen. Sogar einem Wildfremden wie Denis, der nicht einmal Lucas Fleisch und Blut ist, war er ein Vater. Er war für Jarout da, für diese ganze verdammte Familie war er ein treu sorgendes Oberhaupt. Und die ganzen Jahre über war er nicht ein einziges Mal auf die Idee gekommen, dass seine Tochter sich nach ihm sehnte, und dass diese Sehnsucht nicht einfach mit der Zeit nachließ und starb wie ein sieches Tier. Sie war doch ein Teil von ihm. Wie konnte er sie einfach vergessen und jemand anderem die Zuneigung geben, die doch nur ihr gebührte. Ihr kam ein scheußlicher Gedanke - Denis

Weitere Kostenlose Bücher