Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
Schon wieder diese seltsame Stimme, an deren weichen Klang er sich so glasklar erinnerte. Er wusste nur nicht mehr, woher er sie kannte. Sie war so beruhigend, so bestimmt und wusste immer was Interessantes zu sagen.
Turner schüttelte den Kopf, als könne er damit alle schlechten Gedanken und neugierigen Fragen vertreiben. Mit eingezogenem Kopf schlich er die letzten drei Stufen bis in den Vorflur. Dort war auch die Tür zum Keller. Sie stand sperrangelweit offen.
Meine Güte, das ist aber gefährlich, Leute, dachte er. Die rutschigen Stufen und kein Geländer. Was, wenn die Kinder herunterfallen? Er drehte sich um und ging noch einmal zurück. Mit einiger Mühe schob er die schwere Eisentür in ihren Rahmen. So, das ist doch viel besser. Ich muss Mr. Tannant mal bei Gelegenheit sagen, dass er sie abschließen soll. Benutzt ja eh keiner, das feuchte Loch da unten.
Empört schüttelte Turner den Kopf, als er das Chaos im vorderen Teil des Hausflurs entdeckte. Achtlos und ohne Rücksicht auf die übrigen Mitbewohner hatte jemand wahllos Kartons abgestellt, die jetzt den Weg zur Haustür versperrten. Sogar das Fahrrad des kleinen Devore lag mehr, als dass es stand. Jemand, der von draußen hereinkam, könnte stolpern und sich die Beine brechen. Vor allem, wo doch jetzt das Licht nicht funktionierte. Entschlossen machte er sich daran, die Kartons beiseite gegen die Wand zu schieben, sodass der Durchgang wieder frei war. Keuchend vor Anstrengung stapelte er die schweren Pappkisten übereinander. Was darin war, interessierte ihn nicht. Schließlich war er nicht neugierig und schnüffelte in anderer Leute Sachen herum. Zu guter Letzt hob er noch das Kinderfahrrad auf und lehnte es neben der Treppe an die Wand. Zufrieden betrachtete er sein Werk.
Wenn er hier nicht für Ordnung sorgte und sich um alles kümmerte, tat das ja niemand. Eigentlich sollte er Hausmeistergehalt verlangen, dachte er und ging hinaus in die kalte Dunkelheit des kleinen Hinterhofes. Turner war froh, dass er wusste, wo’s lang ging. Bei den vorschriftsmäßig abgestellten und sauber geleerten Mülltonnen hielt er an und ließ seinen stinkenden Abfallbeutel in die Erste von fünf weiteren fallen. So, das hätten wir. Alles in Ordnung, Turner, und jetzt was Schnuckeliges futtern und dann vielleicht noch eine Sendung im Fernsehen, überlegte er. Das Leben war ganz okay, wenn man in einer schönen Wohnung lebte, nette, ruhige Nachbarn daneben wohnten und einen angenehmen Job ausübte. Er war schon ein echter Glückspilz.
~ 5. Kapitel ~
In dem Dorian Prior ein Paket aufgibt
Die Versuchung, Serena in seine Pläne einzuweihen, war groß. Der Gedanke, jemanden teilhaben zu lassen, war verführerisch und sie war so verständnisvoll. Und sie war bereit. Serena war bereit, sich führen zu lassen und ihm zu vertrauen. Wie eine gehorsame Novizin nahm sie jedes seiner Worte wie Weltengeheiß auf. Sie saßen beisammen in einem der Zimmer im unteren Stockwerk des Hauses. Der Raum war wie ihre Schlafstätten nur karg eingerichtet. Doch die gemusterten Polstermöbel und ein Tisch, auf dem ein fünfarmiger, silberner Kerzenhalter stand, vermittelten eine gewisse Wohnlichkeit.
In dem warmen Licht der blauen Schirmlampe leuchteten Serenas blassblaue Augen so erwartungsvoll und ehrfürchtig wie die eines kleinen Kindes am Weihnachtsabend. Auf ihrem Gesicht zeigten sich noch Spuren ihrer Jagd. Über die weichen Wangen zog ein rosiger Schimmer und ihre Haut war warm, als er sanft darüber strich. Aber natürlich gab er diesem flüchtigen Anflug von Verbundenheit, die er zu ihr empfand, nicht nach. Das war viel zu riskant. Schließlich war er klug genug, um zu wissen, dass sie jederzeit ihre Hexenkräfte benutzen konnte, um ihn einzulullen. Vielleicht verursachte ihre Schwarze Kunst seine Zuneigung. Aber nein, dachte er mild. Sie war viel zu verwirrt. Voller Zufriedenheit betrachtete er ihr nachdenkliches Gesicht und hörte sie sagen: »Und du glaubst wirklich, er ist jetzt schon bei ihnen im Haus?«
Dorian Prior nickte. »Sie werden ihn für mich halten, denn er hat ein besonderes Talent. Er kann sein Aussehen verwandeln. Sie denken, ich, Arweth, spreche zu ihnen, lache mit ihnen. Dabei spioniert Prior sie aus. Für Maratos.« Er versuchte in den Namen des Königs von Melacar, die größte Verachtung zu legen und dennoch genügend Schmerz einfließen zu lassen. Schließlich ist Arweth Maratos‘ Sohn. Und sein eigener Vater zwang seinen Sohn, ihn zu
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