Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
Schritt keineswegs von ihm gebilligt wurde. Er fügte sich lediglich der Mehrheit und dem Mangel an Alternativen. Karen fühlte Verbitterung in sich aufsteigen. Wie hoheitsvoll dieser alte Vampir auf sie herabblickte. Offensichtlich war er unverrückbar der Ansicht, dass sie unwürdig war. Und doch brauchst du mich, du blasierter Idiot, dachte sie zornig.
»Das wird nicht notwendig sein«, erwiderte Karen schlicht, ohne Arweth dabei anzusehen. Sie reichte Lucas den dünnen Papierstapel, den sie bislang fest umklammert hielt, um das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken.
»Was ist das?«, fragte er.
»Die andere Lösung«, warf Jarout ein. »Karen hat diesen Artikel gefunden und meine Wenigkeit hat darauf den Typen erkannt, der Serena gestern den Brief brachte.« Unverhohlener Stolz schwang in seiner Stimme.
»Die Aufnahme wurde in Bethnal Green gemacht. Der Mann wird gesucht, weil ihn Leute aus dem brennenden Haus laufen sahen. In dem Gebäude befand sich ein Wachsfigurenkabinett. Wax hieß es. Offenbar ging auch von eben jenem Haus, der Brand aus«, erklärte Karen und beugte sich vor, um die dritte Seite aus dem Stapel zu nehmen. »Hier ist die Adresse des Vermieters. Randolph Somers. Vielleicht weiß er mehr über diesen Mann.«
»Ja, das ist nämlich derselbe Penner, den ich gestern gesehen habe und der ist der Wächter«, erklärte Jarout noch einmal. Karen schickte einen warnenden Blick in seine Richtung. Er sollte verdammt noch mal nicht so aufdringlich sein. Sonst verdarb er noch alles.
»Wie bist du auf diesen Artikel gekommen? Ich meine, so was fängt man doch nicht in der Luft auf«, meinte Seamus und nahm Lucas die Seiten aus der Hand. Dabei fiel Karen auf, wie müde er aussah. Sein Gesicht wirkte grau und tiefe Ringe lagen unter seinen Augen. Vermutlich machte er sich wieder einmal die meisten Sorgen von allen. Seamus, der im Alter von vierzig Jahren zum Hirudo geworden war, wirkte, verglichen mit den anderen, ohnehin ungewöhnlich alt. Kleine Fältchen säumten seine Augen und Mundwinkel und sein langes blondes Haar war von silbernen Strähnen durchzogen. Doch heute schien er um Jahre gealtert.
Arweth, der neben Seamus saß, beugte sich über dessen Schulter, um ebenfalls einen neugierigen Blick auf das Blatt zu werfen. Gleich darauf richtete er seinen erwartungsvollen Blick auf Karen.
Ihr fiel Lucas Frage wieder ein. Verzweifelt suchte sie nach einer Antwort. Aus unerfindlichem Grund sträubte sich alles in ihr, ihnen die Wahrheit zu sagen. Warum das so war, wusste sie nicht. Vielleicht ließ sie dummer, kindischer Trotz so fühlen. Die Familie verheimlichte ihr etwas. Nun erschien ihr die Begegnung vom Morgen wie ein Schatz, ein eigenes Geheimnis, das sie hüten wollte. Vor allem Arweth gönnte sie nicht, dass er ihre Erfahrung teilen sollte. Doch eine einleuchtende Erklärung wollte ihr auch nicht einfallen.
»Recherche«, sagte Karen hastig. Ihre Antwort klang eher wie eine Frage, was auch Arweth nicht entging, der sie misstrauisch ansah. »Für eine Geschichte«, fügte sie hinzu.
»Das ist doch nicht so wichtig, oder? Ein Zufall, sonst nichts«, meinte Jarout. Sein Rettungsversuch war nett gemeint, aber vermutlich gänzlich wirkungslos.
»Wichtig ist doch jetzt nur, dass wir einen Anhaltspunkt haben. Jemanden, nach dem wir suchen können. Also, wenn ihr mich fragt, die Jagd ist eröffnet«, tönte er weiter.
»Setz dich, Jarout! Setz dich und halt für einen Moment den Mund!«, schnauzte Arweth, dem egal war, wer wann, wen oder wo gefunden hatte. Er wollte nachdenken und das fiel ihm mit diesem plappernden Kind im Zimmer schwer.
»Ich meine, sie sollte es trotzdem mit Malcolm versuchen«, sagte er und seine roten Augen fingen Karens Blick mit Leichtigkeit.
»Das muss sie nicht tun, wenn sie es nicht möchte«, schaltete sich Calman ein.
»Wir haben entschieden, dass es das Beste so ist. Vergiss das nicht!«, warnte ihn Arweth.
»Arweth, bitte. Vermutlich würde sie auch nur Gesichter, aber keine Namen oder Orte sehen. Ich kenne ihr Talent. Schließlich habe ich ihr geholfen, es auszubilden. Sie kann uns keine Namen nennen. Das kann aber der Mann, dem dieses Haus gehört. Er kann uns vielleicht sogar sagen, wer der Kerl von gestern Abend ist.«
Karen warf Calman einen dankbaren Blick zu.
»Und wenn nicht, dann verlieren wir nur kostbare Zeit«, schimpfte Arweth, ungeachtet der vorgebrachten Argumente.
»Ihr könnt mich nicht dazu zwingen und wenn doch, dann ist es meine
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