Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
Um’tejesh, das er von Maratos erhalten hatte. Das blank polierte Eisen glänzte im Licht der flackernden Kerzen. Stolzerfüllt ließ Prior seinen Blick über die von ihm geschaffene Kulisse wandern. Das höhlenartig dunkle Innere der kleinen Kirche erstrahlte im Kerzenlicht, das von den weiß getünchten Wänden und der niedrigen Kuppeldecke zurückgeworfen wurde. Beinahe ließ dieses Licht Alter und Zerfall vergessen. Sogar die verblassten Fenster erstrahlten in neuem Glanz.
»Was macht dich so sicher, dass dein Doppelgänger tatsächlich kommt?« Serenas bebende Stimme zerbrach die samtene Stille. Sie erhob sich von der hölzernen Bank und trat neben ihn.
Dorian Prior warf ihr einen erbosten Blick zu. Wie konnte sie nur wagen, ihn in einem Moment wie diesem zu stören? Ohne seine Erlaubnis war sie in die Kapelle gekommen. Neugieriges Miststück. Sie hatte das Kerzenlicht hinter den Fenstern gesehen und war einfach hereinmarschiert. Dreist und unverschämt wie sie ist, hatte sie nicht abwarten können, bis er sie zu sich rief. Konnte sie jetzt nicht einfach den Mund halten? Musste sie mit ihrem dummen Geschwätz diesen besonderen Augenblick herabwürdigen?
»Ich habe ihm eine eindeutige Botschaft geschickt. Glaub mir, er kommt«, antwortete er schroff und drängte sie beiseite. Er griff nach dem Eimer. Rasch verstaute er ihn außer Sichtweite.
»Und dir, meine Liebe, möchte ich eine Geschichte erzählen. Sie wird deine Erinnerung auffrischen und dir vielleicht verständlich machen, warum Prior ganz sicher keine Minute vergessen hat. Du und ich, wir waren schon einmal an dieser Stelle. Genau hier.« Er wies auf den Boden vor dem Altar und nahm begeistert das Staunen in Serenas Blick wahr.
»Du erinnerst dich wirklich nicht, oder? Im Jahre 1623, war ich mit Malcolm und dir in Deutschland unterwegs. Während unserer Reise hörte ich vom gewaltsamen Tod einer meiner Töchter. Phoebe. Ich schwor, unbarmherzige Rache für ihr Leben zu nehmen. Wir suchten lange Zeit nach dem, der sie getötet hatte. Durch unzählige Städte waren wir seinem Namen gefolgt. Wen immer wir unterwegs trafen, fragten wir nach ihm. Schließlich hatten wir gehört, dass er sich in Lörringen, einem Ort in der Nähe von Köln, aufhielt.
Dort fanden wir tatsächlich jenen Mann, den die Leute den Prior nannten. Sein wirklicher Name jedoch lautete Dorian von Salmbach. Er war ein sogenannter Hexenkommissar und ...«
»Dorian, der Prior!«, rief sie aus. »Du meinst wir haben ihn nicht getötet? Phoebes Mörder lebt?«
Prior krampfte seine Hände ineinander. Mörder, ha! Ihr Richter war ich, dachte er hasserfüllt. Und bald bin ich auch der deiner, du verdammte Hure. Doch er beherrschte seinen Zorn und nickte langsam.
»Jetzt verstehe ich, Arweth. Die Eisenspitzen, das um’tejesh, Malcolm, alles. Du willst es zu Ende bringen, nicht wahr?«
Wieder neigte er den Kopf zur Bestätigung ihrer Worte.
»Jawohl, meine kleine Serena. Ich will unsere Rache vollenden. Damals schlugen wir ihn mit eben jenen Eisenspitzen auf diesen Altar. Wir machten ihn zu einem Hirudo und ließen ihn das Blut seiner Kinder trinken. Sein Schmerz war unermesslich, als er aus dem Fieber des ersten Durstes erwacht war und sah, was er getan hatte. Dann sollte sein neuer Leib im Licht der Sonne verbrennen. Mit all seinen Sünden sollte er zur Hölle fahren. Wir schlugen ihn an das Portal dieser Kirche, damit ihn das Tor nicht nach Melacar bringen konnte.«
»Doch der Sog riss ihn los und trug ihn nach Melacar«, unterbrach sie ihn erneut.
»Das ist richtig. Wie klug du bist.« Sanft streichelte er ihre Wange und strich eine Locke ihres kurzen Blondhaars zurück. Am liebsten hätte er seine Hände um ihren schlanken Hals gelegt und ihr das Genick gebrochen wie einen mürben Zweig.
»Dort traf er auf Maratos und nun ist er hier, um für ihn zu spionieren. Dorian von Salmbach will Rache und Maratos will uns. Gemeinsam planen sie unseren Tod.«
»Und Malcolm stellte sich auf ihre Seite«, murmelte sie gequält. »Wie konnte er das nur tun? Ich verstehe das nicht. Nein, ich verstehe das einfach nicht.«
Als sie zu ihm aufsah, flossen Tränen aus ihren wasserblauen Augen und rannen wie funkelnde Eisperlen ihre Wangen hinab.
»Oh, Arweth. Wie sollen wir uns nur gegen diese Verräter zur Wehr setzen?«
Liebevoll umfasste er ihr Gesicht mit beiden Händen. Ekel mischte sich mit dem Hochgefühl des Triumphs und ließ ihn schaudern.
»Wem gehört deine Liebe?«
Sie zögerte
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