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Dunkles Erwachen

Dunkles Erwachen

Titel: Dunkles Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knip
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Hand, die sich fest um einen Haltegriff schloss, während sich die Welt um sie drehte. Der Rover überschlug sich und rutschte unkontrolliert über den steinigen Boden.
    Nach einer scheinbaren Ewigkeit kamen alle Bewegungen zur Ruhe. Alice hörte ihr hastiges Atmen und ihr eigenes Herz, das heftig in ihrer Brust pochte. Sie wagte es nicht, den Griff loszulassen, obwohl ihre Finger taub waren.
    Ohne es unterdrücken zu können, begann sie zu weinen.
     
    Der schwarze Hüne erhob sich wie ein Felsen auf dem verlassenen Gelände am Rande von Kairo und blickte auf die schemenhafte Skyline.
    Ein unerwarteter Sandsturm suchte die Millionenstadt seit Stunden heim und hüllte die Häuser zu dieser frühen Nachmittagsstunde in ein Dämmerlicht, als sei die Nacht angebrochen.
    In vielen der Häuser brannten daher schon die ersten Lichter, deren Aufleuchten sich rasch in den dichter werdenden Sandwehen verlor, die durch die Straßen zogen.
    Unbeeindruckt trotzte der kahlköpfige Mann den Naturgewalten. Er genoss das Chaos, das ihn umtoste, und nahm dessen ungebändigte Wucht in sich auf. Um seine Fingerspitzen tanzten kleine Lichtwirbel, die wie Blitze in die Höhe zuckten. Er hatte es selbst entfesselt. Seine Kräfte kehrten mit jedem Atemzug zu ihm zurück.
    Kräfte, derer er vor Jahrtausenden beraubt worden war, bevor man ihn in der Stunde seiner Schwäche verstoßen hatte. Sie hatten all die Jahre in ihm verborgen gelegen. So nah und doch unerreichbar für ihn.
    »Shion!«, dröhnte seine tiefe Stimme durch das Röhren des Sturms. Er reckte den Kopf in den Himmel und hielt die Augen geschlossen.
    »Du hast mir mein Reich genommen. Mich gedemütigt und verstoßen. Du hast mir bis heute den Tod verweigert, als ewige Erinnerung daran, dass ich dir unterlegen war.« Seine Arme vollführten ausladende Bewegungen, die einem fest vorgegebenen Muster folgten. In der Ferne erschütterte ein rasch näher kommendes Grollen den Boden.
    Der Schwarze streckte den linken Arm aus und hob ihn leicht an. Vor seinen Füßen begann der Boden zu vibrieren. Knirschend zerbarst der brüchige Asphalt und bohrte sich in schartigen Platten in die Höhe. Unter seinen Füßen hörte der Hüne ein leises Kreischen. Unterirdische Wasserrohre rissen auf. Helle Fontänen schossen aus dem Boden und vermischten sich mit dem wehenden Sand zu einer zähen Schlacke, die in schweren Tropfen zu Boden perlte.
    Das Wasser verdampfte zischend, sobald es die Haut des Farbigen berührte.
    »Es ist gut, dass du weißt, wem du zu folgen hast, Mutter«, flüsterte er rau. »Bald, bald wieder wirst du mir in deiner ganzen Macht gehorchen …«
    Das Beben ebbte ab. Und mit ihm verschwand das Tosen. Vielzählige Schreie voller Entsetzen erklangen in der Stadt. Menschen strömten in Panik auf die Straßen und suchten Schutz vor den Naturgewalten.
    Er betrachtete sie mit einem spöttischen Lächeln. Auch sie würden lernen, ihren jungen Götzen abzuschwören und ihn als den einzigen Herrn anzuerkennen … ihn, Eser Kru.
    Um ihn herum zerfiel der aufgetürmte Asphalt zu Staub und rieselte zu Boden.
     
    »Hmm, nette Verstauchung, Miss Verhooven! Sagen Sie mir, wenn's wehtut.«
    Eugène Mauris legte den Verband um den linken Knöchel der jungen Frau, die dem Belgier aufmerksam zusah. Dann und wann zischte sie schmerzerfüllt auf. Ihre Mundwinkel zuckten unwillig. Sie lehnte sich gegen eine umgestürzte Säule und wartete, bis der Fahrer den Verband festgezogen hatte.
    »Geht schon … Scheißdreck!«
    Janet murmelte schließlich ein ›Danke‹ und fuhr mit der Hand über die verletzte Stelle. Eugène erhob sich ächzend. Über seine Stirn zog sich ein breites Pflaster und sein rechter Unterarm war dick umwickelt. Er schnaufte auf und stützte sich auf dem Geröll ab.
    Die junge Frau sah ihn resigniert an.
    »Und wir kommen hier nicht weg?«
    Eugène Mauris sah sie aus seinen graublauen Augen offen an. »Nein, der Rover hat einen schönen Achsenbruch. Wir hatten unglaublich viel Schwein, mit so wenig Blessuren davonzukommen!« Er sah zu dem Wrack hinüber, aus dem eine dicke, dunkle Rauchfahne in den Himmel stieg.
    »Na toll!«, quittierte Janet die Nachricht und bog ihren Oberkörper durch. Der Schweiß lief ihr in Bächen über das Gesicht. »Mein ComPad zeigt auch keinen Empfang in dieser gottverlassenen Gegend an! Aber unser ›Tarzan‹ kann uns wohl von hier wegbringen. Wo ist er überhaupt?«
    »Hinter ihnen«, erklang eine Stimme direkt in ihrem Rücken. Die junge Frau

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