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Dunkles Erwachen

Dunkles Erwachen

Titel: Dunkles Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knip
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selbstverständlich auf die Rückbank. Eugène lud Talon mit einer Handbewegung ein, neben ihm auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen, und schwang sich dann selbst in das Innere des Fahrzeugs.
    Der halb nackte Mann musterte den Kunstledersitz mit einem undeutbaren Blick und betrachtete die Karosserie des Geländewagens.
    »Es ist nur ein Auto. Sie können beruhigt einsteigen«, meinte Mauris nicht ganz ernst.
    Talons Blick verdeutlichte ihm, dass das Zögern keineswegs gespielt war. Schließlich schwang sich der halb nackte Mann auf den Sitz. Seine angespannte Körperhaltung sprach eine deutliche Sprache.
    »Immer den Ruinen nach, hm?«, fragte der Belgier seinen Fahrgast und nickte mit dem Kinn Richtung Südwesten. Talon folgte dem Blick. Der verwaschene graublaue Himmel ließ die Konturen am Horizont in einem nebligen Dunst verschwimmen. Dennoch offenbarte sich Talons Sinnen ein klar erkennbarer Pfad durch die Einöde.
    Er nickte dem Fahrer zu. Augenblicke später setzte sich der Rover in Bewegung und zog eine breite Staubfahne hinter sich her, die die Ruinen hinter ihnen in einen undurchdringlichen Schleier hüllte. So nahm keiner von ihnen die hochgewachsenen Silhouetten wahr, die sich wie Phantome aus dem Schatten der steinernen Pfeiler lösten und ihnen nachblickten.
    Das Fahrzeug bahnte sich mit röhrendem Motor seinen Weg durch die karge Landschaft. Die unebene Strecke ließ das Chassis stark ruckeln, und so hielten sich die Insassen vorsichtshalber an den Sicherheitsgriffen des Geländewagens fest.
    Alice Struuten wies mehrmals Eugène wegen seiner Fahrweise frotzelnd zurecht und hustete jedes Mal, wenn der aufgewirbelte Staub in ihren Mund drang. Sie hatte offensichtlich Schwierigkeiten, sich der holprigen Fahrweise anzupassen, und bewunderte Janet, die neben ihr völlig ruhig auf ihrem Sitz saß, den Blick kühl nach vorne gerichtet.
    »Miss Verhooven?«, rief sie ihr durch den Motorenlärm zu. Die blonde Frau wandte sich ihr überrascht zu. Alice lächelte verschmitzt zu ihr herüber. »Ich ziehe meinen Hut vor Ihnen! Sich so schnell bei dem Typen einzuklinken –«, sie deutete mit dem Zeigefinger auf Talon, der das Gespräch hinter sich durch den Lärm nicht mitbekommen konnte.
    »Sie wissen, wo eine gute Story zu holen ist«, gestand sie ihr neidlos zu.
    Janet verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln.
    »Miss Struuten – ich weiß vor allem, wenn ich eine Beute sehe, die mir gefällt.«
    Sie genoss den verdutzten Blick auf dem Gesicht der Fotografin mit innerer Genugtuung und wandte ihren Blick wieder nach vorne, ohne sich auf ein weiteres Gespräch einzulassen.
     
    Stille wehte durch die steinerne Dunkelheit.
    Die Strukturen der gewaltigen, in sich verschachtelten Hallen ragten wie ein zerfallenes Skelett aus dem Dämmerlicht. Pfeiler und Streben aus einem marmorartigen Material, durchzogen von Myriaden Rissen und Brüchen, ragten in die Höhe und trugen die mächtige gewölbte Decke, die das Licht zu sich zog und in einem stummen Wirbel verschlang.
    Hallen, von der Zeit längst vergessen. Es schien, als seien die zerschmetterten Ornamente und Verzierungen eingefroren worden. So, als sei alles im Augenblick des Todes erstarrt.
    Trotz der zahlreichen Risse und Löcher im Gestein hatte die Natur nie die archaischen Gänge und Säle erobern können. Von draußen schimmerte das vielfältige Grün des Dschungels in die Räume. Es fanden sich jedoch keine Blätter, keine Äste, die den Boden der Ruinen berührt hätten.
    Inmitten des großen Kuppelsaales, der die Mitte des Bauwerks bildete, schraubte sich eine mächtige, zylindrische Säule in die Höhe. Weit über dem kostbar getäfelten Boden wartete das Dunkel auf der Spitze der Säule, schlafend, erstarrt.
    Der mächtige schwarze Körper ruhte einer Statue gleich auf der ebenen Fläche, die die Säule abschloss. Nur schwer waren die muskulösen Gliedmaßen unter dem obsidianfarbenen Mantel aus Licht zu erkennen.
    Von einem Augenblick auf den anderen erwachte die Dunkelheit. Blutrot schimmernde Augen öffneten sich in der schwarzen Fläche des breiten Schädels. Momente verstrichen, in denen sich der Körper festigte und nachtschwarzes Licht um die zerfließenden Glieder floss. Dann erleuchtete die Spitze der Säule in einem schillernden Wirbel grellen Lichts.
    Der dunkle Körper materialisierte sich am Fuß der Säule und schritt langsam den breiten Korridor entlang, der nach draußen führte. Lichtreflexe blitzten in der dunklen Mähne auf, die

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