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Dunkles Erwachen

Dunkles Erwachen

Titel: Dunkles Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knip
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sie auf und blickte in Eugènes wütendes Gesicht.
    »Bist du verrückt?«, herrschte er sie zischend an. »Lass doch gleich eine Fanfare erschallen, dass wir hier sind!« Seine Augen funkelten bedrohlich. Ein Fluch löste sich von seinen Lippen, dann ließ er die Fotografin stehen, die innerlich vor Angst und Zorn bebte.
    Janet legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter, doch sie schob sie beiseite. Sie ließ sich an das Ende der Gruppe zurückfallen und war darauf bedacht, den Abstand zu dem Belgier so groß wie möglich zu halten.
    Janet schloss zu Talon auf, der trotz seiner sicheren Schritte eine wachsende innere Unruhe nicht mehr verbergen konnte.
    »Was für ein Volk war das, Talon?«, flüsterte sie ihm leise zu. Sie musste etwas sagen, um ihre eigene Nervosität wieder in den Griff bekommen. »Ich sehe keine Reliefs, Malereien oder Ähnliches.«
    Sie durchquerten eine lang gestreckte Galerie, deren einzelne Stockwerke sich in dem fahlen Licht verloren, das die Räume erhellte. Auch hier war die Substanz deutlich angegriffen und zerfiel unter dem Einfluss der Zeit.
    »Ich weiß es nicht«, musste Talon Janet nach einer Weile eingestehen. »Ich habe noch nie von diesem Ort gehört.«
    Die junge Frau konnte aus der Stimme deutlich die Unsicherheit heraushören, die den Mann erfüllte. Jetzt, da er sein Ziel erreicht hatte, schien er sich nicht darüber klar zu sein, wie es weitergehen würde.
    Sie erreichten das Ende des langen Flurs. Janet legte die Hand auf eine der Mauern. Der Stein fühlte sich warm, fast lebendig an.
    »Und die Abmessungen«, fuhr sie fort. »Als ob es nicht für Menschen gemacht worden s…«
    »Still!«, wurde sie von Talon unterbrochen.
    Der Flur mündete in eine schmale Galerie, die einen Blick in den Raum darunter preisgab. Das Kuppelgewölbe wies auf eine riesige Halle hin, die sich vor ihnen erstrecken musste. Talon legte sich auf den Boden und schob sich vorsichtig zum Rand des Absatzes vor. Seinen Augen eröffnete sich ein weitläufiges, flach ansteigendes Rundtheater, das besetzt war von Tausenden Löwen. Die Tiere liefen auf den Steinreihen unruhig hin und her. Ihr Unbehagen drang bis zu ihm durch. Doch nicht eines wagte, die Arena zu verlassen. Sie wirkten, als seien auch sie aus einer Trance erwacht, die sie hierher geführt hatte. Keines von ihnen wollte sich an diesem Ort aufhalten.
    Und dennoch blieben sie, um auf etwas zu warten. Erfüllt von Unruhe und Nervosität.
    Die Gruppe hatte sich hinter Talon auf dem Absatz versammelt. Auch von ihnen wagte keiner, bei dem Anblick einen Laut von sich zu geben. Sie beobachteten nur die unterdrückte Unruhe, die die Tiere beherrschte. Ein Chor aus Knurren und Grollen durchzog die treppenartigen Reihen, die sich wie Ringe nach oben zogen.
    Dann, mit einem Mal, war es still.
    »Gott, sehen Sie!«, konnte sich Alice nicht zurückhalten.
    In der Mitte des Kuppelsaals erhob sich ein kreisrundes Podest aus dem Boden. Es maß gut zehn Meter im Durchmesser und waberte gleichförmig in dem hellen Schein, der alles hier erleuchtete. Das Licht jedoch wich einem Schatten, der durch den Stein glitt und sich verdichtete. Aus der Tiefe des Podests drang gleißende Dunkelheit empor. Fetzen schwarzen Lichts zuckten aus dem Stein empor und explodierten in grellen Schatten. Und aus der Dunkelheit formte sich Schwärze.
    Der Schemen eines gewaltigen Löwen schälte sich aus der lichtlosen Substanz. Und er begann zu atmen. Zu leben.
    Aus dem blutroten Schlund, der das Maul des Wesens bildete, drang ein Brüllen, das die ganze Halle erfüllte. Einen Moment noch hielten die Löwen inne, dann stimmten sie in den Ruf ein und antworteten dem Schatten in einem vielstimmigen Chor.
    Talon erzitterte. Sein ganzer Körper bebte und schrie danach, die Spannung mit aller Macht zu entladen.
    »Shion«, flüsterte er stattdessen nur tonlos.
    Eugène Mauris drehte sich überrascht zu ihm um.
    »Was? Wer?«, setzte er an. Doch dann bemerkte er den hünenhaften Schatten, der sich nahe der Wand abzeichnete.
    »Oh, du Scheiße«, entfuhr es ihm beim Anblick der beiden Männer. Sie waren mit kaum mehr bekleidet als einem knappen Lendentuch. Doch umso auffälliger war der bunte, mächtige Kopfschmuck, der sich wie eine Löwenmähne um ihren kahl geschorenen Kopf legte. In ihren Händen hielten sie gewaltige Speere, die sie zum Stoß bereit erhoben hatten.
    »Ketzer!«, grollte einer der beiden Männer mit bronzefarbener Haut voller Abscheu. »Ihr seid des

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