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Dunkles Erwachen

Dunkles Erwachen

Titel: Dunkles Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knip
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sich durchs Haar. Wozu hatte sie sich da nur hinreißen lassen? Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. Die Leidenschaft in ihr war so schnell verflogen, wie sie gekommen war.
    Notdürftig reinigte sie sich zwischen den Beinen und kramte dann aus ihrem Rucksack die letzte verbliebene frische Kleidung. Innerlich schalt sie sich eine Närrin. Sie hatte ihren Körper schon häufig genug eingesetzt, um ihre Aufträge zu erfüllen. Aber sie hatte sich bisher danach noch nie so … allein gelassen gefühlt.
    Die Südafrikanerin schwor sich, sich wieder auf ihre Aufgabe zu konzentrieren, und packte die durchgeschwitzten Sachen weg. Missmutig ging sie zum Lager zurück und hoffte, ihm dort nicht zu begegnen.
    Alice erwartete sie bereits und trat nervös auf der Stelle.
    »Na endlich«, empfing sie sie. »Ich hab' mir schon Sorgen gemacht. Wirklich erholt sehen Sie aber nicht aus«, meinte sie nur und bedachte ihre Projektleiterin mit einem zweifelnden Blick.
    Janet Verhooven ging nicht darauf ein, sondern stellte ihren Rucksack nahe den anderen beiden ab. Ihr wurde mit einem Mal bewusst, dass es viel schwieriger werden würde, Vanderbuildts Forderungen nachzukommen, als sie es selbst jemals für möglich gehalten hätte. Sie dachte, sie müsste nach einem Wilden in der Savanne stochern. Stattdessen wurde sie in etwas hineingerissen, das sie nicht mehr kontrollieren konnte. Das ihr so fremd, so verborgen war, dass sie ihre gewohnte Selbstsicherheit verlor.
    »Will jemand was essen?«, riss Eugènes Frage sie aus ihren Gedanken. Er hatte sich inzwischen um das Lager gekümmert und es so weit gesichert, dass sie in der Nacht nicht unvorbereitet waren. Der Belgier hielt eine leicht zerbeulte Dose verlockend in die Höhe.
    »Indischer Doseneintopf mit Reis, temperiert!«, zog er die Aufmerksamkeit der Frauen auf sich. »Und …«, ein Seufzen rang sich von seinen Lippen, »lauwarmes belgisches Bier.«
    Die beiden Frauen ließen sich dankbar ablenken und machten es sich im abgeblendeten Licht einer der Lampen auf einem umgestürzten, überwucherten Baumstamm bequem.
    Janet nahm die geöffnete Dose entgegen und suchte nach einem Löffel.
    »Wo ist eigentlich unser Dschungelheld?«, fragte sie zwischen zwei Bissen und versuchte dabei so unbefangen wie möglich zu wirken.
    Alice zuckte mit den Schultern und sah nach oben. »Irgendwo dort zwischen den Ästen, vermute ich. Er will die Nacht hindurch Wache halten.«
    »Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn dabei ablösen werde«, meinte Eugène mürrisch. »Aber davon wollte er nichts wissen.«
    »Sagt mal«, meinte Janet und reichte die Dose an die jüngere Frau weiter, »hat er mit dem Löwen vorhin eigentlich gesprochen?«
    »Was – wie? Nein!«, entfuhr es Alice. »Die haben sich gegenseitig angeknurrt. Aber mehr war das doch nicht.«
    Eugène wies mit dem Finger auf die blonde Frau. »Doch, sie hat recht. Mir ist das auch aufgefallen. Das waren mehr als nur Kampfgebärden.« Er strich sich durch den Schnurrbart. »Wir haben ihn auf einem Pfad gefunden, den Löwen genutzt haben sollen. Was wissen wir schon, wo er die letzten Monate oder Jahre gelebt hat?«
    »Hör auf«, fuhr ihn Alice an. »Das ist ja unheimlich! Ich habe jetzt echt keine Lust, darüber nachzudenken.« Sie zog die Beine an und legte ihre Arme um die Knie.
    Keiner von ihnen bemerkte die hellblauen Augen, die sie aus dem Schatten der Blätter aufmerksam beobachteten. Talon hatte sich aus der Höhe einen besseren Überblick über die kleine Lichtung verschaffen wollen, auf der die Gruppe nun lagerte. Er hatte die Ruhe gesucht, um das Feuer zu besänftigen, das in ihm loderte.
    So sehr ihn Janet erregte und so sehr er das Spiel mit ihr genossen hatte, so sehr musste er sich aus der unablässigen Gesellschaft der drei Menschen zurückziehen. Sie waren ihm fremd geworden, seitdem die Savanne sein Leben bestimmte. Ihre Gespräche und Plaudereien erschienen ihm wie von einer anderen Welt. Dennoch betrachtete er die drei Personen eindringlich, folgte ihrem lockeren Geplauder, mit dem sie ihre Müdigkeit und Unruhe zu überspielen versuchten. Dann, nach nicht mal einer Stunde, zogen sie sich in ihre Schlafsäcke zurück. Eugène Mauris löschte das Licht der Taschenlampe.
    Die Dunkelheit legte sich wie ein undurchdringlicher Mantel über die Lichtung. Talons geschärfte Sinne erkannten in der Nacht jede Nuance, jede Struktur in den Ästen und Blättern. Unablässig raschelte es in den Bäumen über ihm. Helle Laute

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