Dunkles Feuer
noch in dicker Winterkleidung, denn niemand hatte ahnen können, dass nach dem überraschenden Kälteeinbruch der letzten Woche die Temperaturen so schnell ansteigen würden.
Er zog sein Jackett aus und legte es über den Arm. Der Kragen seines Hemdes stand offen, und der leichte Wind strich kühlend darüber.
Der Eingang der Bibliothek ragte vor ihm auf. Steve ordnete sich hinter einer Gruppe europäischer Touristen ein und folgte ihnen bis in den Lesesaal im Thomas Jefferson Building.
Er war hierhergekommen, um nachzudenken, um die innere Ruhe zu finden, damit er eine Entscheidung treffen konnte. Wie immer nahm ihn die Atmosphäre des Lesesaals sofort gefangen.
Einer Basilika gleich, wölbte sich die Kuppel hoch über ihm. Sanftes Tageslicht fiel durch die verzierten Glasfenster darunter und vermittelte ein Gefühl von Wärme und Behaglichkeit.
Unten, im kreisrunden Lesesaal, herrschte Stille. Obwohl fast alle Lesetische besetzt waren, sprach niemand und selbst das Umblättern der Buchseiten wurde leise vollzogen.
Steve ließ seinen Blick umherschweifen, betrachtete die mächtigen Säulen, die Figuren großer Denker, die nachdenklich auf die Menschen herabsahen.
Über 83 Millionen Bücher, unter ihnen so einmalige Ausgaben wie die Gutenberg-Bibel von 1455 und das illuminierte Manuskript der Großen Bibel von Mainz, befanden sich in diesem Imperium der geschriebenen Wörter. Er setzte sich an einen der freien Tische, ohne ein Buch auszuleihen.
In seinen Gedanken kreiste immer wieder der gleiche Satz ‘Gersham ist in einem schwarzen Lincoln mit Army-Kennzeichen unterwegs’. Tom Meyers hatte das entscheidende Puzzleteil gefunden, durch das alles einen Sinn bekam.
Gershams überraschendes Auftauchen, das hohe Kaufangebot für MedicSoft , die Tatsache, dass nichts über Centurion Corporation in Erfahrung zu bringen gewesen war. Alles fügte sich zusammen, wurde zu einem beängstigenden Bild.
Dallas zog ohne plausiblen Grund den Auftrag zurück und das nach den Erfolgen, die MedicSoft vorweisen konnte. Jemand übte Druck auf die Universität aus. Starken Druck. Und nur eine mächtige Organisation wie die Armee der Vereinigten Staaten konnte so etwas bewirken, denn direkt hinter der Armee stand der Präsident als oberster Befehlshaber.
Aber warum das Ganze? Warum auf diese Art und Weise?
Der Kauf von MedicSoft soll ein anderes Interesse tarnen, und das kann nur Prometheus sein.
Wie lässt sich das Interesse der Armee und der Regierung an einem Programm zur genetischen Manipulation an Viren erklären?
Warum sollen wir nicht wissen, wer tatsächlich hinter allem steckt?
Weil es etwas zu verbergen gibt!
Dieser Gedanke raste durch Steves Kopf und ließ ihn erschauern. Es gab nur eine einzige realistische Möglichkeit; Prometheus sollte missbraucht und ganz anders eingesetzt werden.
Biologische Kriegsführung!
Prometheus konnte helfen, Viren gezielt genetisch zu manipulieren. Es konnte Mutationen jeder Art vorausberechnen. Sein Programm sollte nicht den Menschen dienen, es sollte zu einer Waffe werden. Zur mächtigsten Waffe der Welt.
Ihm wurde schwindlig, als er die Möglichkeiten bedachte, die Prometheus in den Händen von Militärs und skrupellosen Politikern entwickeln konnte.
Nein! brüllte es in ihm.
Dafür habe ich es nicht geschaffen. Es soll das Licht und das Feuer für eine neue Welt sein. Die Entdeckung wirksamer Impfstoffe gegen durch Viren erzeugte Krankheiten bewirken. Medikamente schaffen, die heilen können.
Sein Vater war an Hepatitis gestorben. Der Tod war lang und qualvoll gewesen. Als er Prometheus entwickelte, waren seine Gedanken bei dem alten Mann gewesen. Für ihn hatte es keine Rettung gegeben, aber er hoffte, anderen Menschen dieses Schicksal ersparen zu können.
Was soll ich bloß tun? fragte er sich.
Zwölf Millionen Dollar. So viel Geld.
Endlich hätte ich die Mittel, um eine neue Firma auf sichere Beine zu stellen. Es gibt eine Vielzahl von Gebieten in der medizinischen Programmierung, auf denen ich mich verwirklichen könnte.
Ich würde über das Geld verfügen, um meiner Frau Liz das Leben zu ermöglichen, von dem sie träumt. Vielleicht kann ich meine Ehe noch retten.
Richard.
Ich verdanke ihm mein Leben. Er ist mein Partner bei MedicSoft . Er hat ein Recht auf das Geld, das ihm zusteht.
Amerika, mein Heimatland, will Prometheus .
Kann ich meinem Land Prometheus verweigern? Habe ich das moralische Recht, das zu tun, auf meiner Seite?
Außerdem darf ich die
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