Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkles Feuer

Dunkles Feuer

Titel: Dunkles Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kenlock
Vom Netzwerk:
Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass mein Programm auch von der Wissenschaft missbraucht werden kann. Wenn ich Gersham jetzt das Programm gebe, kann ich zumindest sicher sein, dass es keiner verfeindeten Nation, einem größenwahnsinnigen Diktator oder Terroristen in die Hände fällt.
    Die andere Seite war, dass Prometheus dann niemals für medizinische Zwecke eingesetzt werden würde.
    Habe ich nicht die Verpflichtung zu helfen, wenn ich helfen kann?
    Was soll ich tun?
    Ich weiß es nicht.

    Als John Chen das Gebäude verließ, war die Nacht längst hereingebrochen. Mit weit geblähten Nasenflügeln atmete er die kühle Frische ein. Plötzlich bewegte sich ein Schatten durch den Schein der Straßenlaterne auf ihn zu.
    „Entschuldigung“, sagte eine fremde Stimme.
    Bevor John antworten konnte, traf ihn ein wuchtiger Faustschlag gegen den Solarplexus. Alle Luft wurde aus seinen Lungen gepresst. Er sank auf die Knie. Ohne dass er es hätte verhindern können, erbrach er sich mitten auf dem Gehsteig.
    Der Schatten beobachtete ihn schweigend. Ein Streichholz wurde entzündet, und für einen kurzen Moment huschte ein feuriger Schein über das Gesicht des Fremden. Als John hochblickte, sah er, dass der Andere lächelte. Kurz darauf zog der angenehme Geruch einer brennenden Zigarette durch die Nacht.
    „Ich möchte mit dir reden.“
    John konnte nicht antworten, ein erneuter Anfall ließ ihn heftig würgen.
    „Wer sind Sie?“, schaffte er es schließlich zu fragen.
    Ein weiteres Streichholz wurde entzündet. Der Fremde hielt es dicht vor das eigene Gesicht. Das Flackern der Flamme erhellte ein hartes asiatisches, mit Pockennarben übersätes Gesicht. Die Nase, flach wie bei einem Boxer, der schmallippige Mund zusammengepresst, die Augen stechend, gefühllos.
    John kam dieses Gesicht bekannt vor, aber er konnte es nicht einordnen.
    „Sag bloß, du erinnerst dich nicht an mich, Jin Chen?“, meinte der andere spöttisch.
    John Chen wurde es eiskalt. Eine stählerne Faust griff nach seinem Herzen, und er spürte, wie sich seine Blase entleerte.
    Er hatte immer geglaubt, niemand kenne seinen wahren Namen, aber nun hatte ihn die Vergangenheit eingeholt.

10. Kapitel

John Chen
    Ein Dorf nahe Yidu am Jangtsekian
    „Bleib stehen, May-May!“, rief er seiner Schwester nach, aber sie hörte nicht auf ihn. Ihre Zöpfe wippten, während sie am Rand der Reisfelder entlanglief. May-May war zwölf, vier Jahre älter als er, und Jin hatte Probleme, sie nicht aus den Augen zu verlieren.
    Das stehende Wasser strömte einen intensiven Geruch nach verwesenden Pflanzen aus. Schwärme von Mücken tanzten in der Luft, bewegten sich im leichten Wind auf und ab.
    Wie jeden Mittag um diese Zeit brachten er und May-May, ebenso wie alle anderen Kinder des Dorfes, das Mittagessen auf die Felder hinaus, wo ihre Väter, Mütter, Geschwister, Onkel und Tanten mit hochgekrempelten Hosenbeinen barfuss im Wasser standen und Reisschösslinge in endlose Reihen pflanzten.
    May-May trug die Flasche mit Wasser. Er brachte das Essen. An einem langen Bambusstock, der über Jins Schultern lag, waren die Suppenterrinen befestigt, die bei jedem seiner Schritte schaukelten. Das war der Grund, warum er nicht rennen, sondern nur schnell gehen konnte.
    Er wollte nicht allein sein, denn er hatte Angst. Angst vor Dao Npei und seinem Zwillingsbruder Deng.
    Mit Deng hatte er sich noch nie verstanden, er war ihm unheimlich mit seinem schleichenden Gang und seinen merkwürdigen Augen, die stets zu starren schienen, doch Dao und er waren Freunde gewesen, aber seit dem Tag, an dem die Milizionäre Daos Vater abgeholt und er als Verräter an der Partei gebrandmarkt worden war, wurde seine Familie von den anderen Bewohnern des Dorfes gemieden.
    Jin hatte trotzdem versucht, den Kontakt zu Dao aufrechtzuerhalten, aber es war sein Freund gewesen, der ihn weggestoßen hatte. Die Familie Npei vermutete, Jins Vater, der im Dorf die Stellung eines örtlichen Parteisekretärs innehatte, habe etwas mit der Verschleppung von Daos Vater zu tun.
    Jin konnte sich das nicht vorstellen, aber sein Versuch, mit Dao über die Sache zu reden, war kläglich gescheitert, und nun hasste ihn sein Freund.
    May-May war inzwischen aus seinem Blickfeld verschwunden, und jetzt, wo er sie nicht mehr sehen konnte, nahm seine Angst noch zu.
    Am rechten Rand des Weges standen hohe Bambusbüsche, und Jin wurde das Gefühl nicht los, dass sich jemand darin versteckte. Er hatte die Büsche fast

Weitere Kostenlose Bücher