Dunkles Feuer
einer massiven Eisentür ließ Holden die Männer Halt machen. Im grünlichen Schimmer des Nachtsichtgeräts untersuchte er die Tür. Ihr Vorhandensein schien seltsam, wenn man den Zustand des Hauses berücksichtigte, aber sie war da und versperrte ihnen den Weg.
Holden rief Troutman, den Sprengstoffexperten der Gruppe, zu sich. Er nahm seine Sichthilfe ab und schaltete eine Taschenlampe ein, damit Troutman die Tür untersuchen konnte.
Der hagere Mann aus Oklahoma ließ sich Zeit. Seine Finger fuhren prüfend über das Metall, untersuchten jede Fuge. Als Letztes nahm er sich die Scharniere vor. Sie waren die einzige Schwachstelle der Tür. Nachdem seine Untersuchung beendet war, erstatte er Holden Bericht. Der Major hörte ruhig zu und gab dann seine Anweisungen. Bis auf Troutman, der die Tür aufsprengen sollte, mussten sich alle Männer zurückziehen.
Troutman ging neben der Tür in die Hocke und packte seine Utensilien aus. Plastiksprengstoff C4 und Zündkabel, die er an eine kleine Batterie anschloss. Er gab ein Handzeichen nach hinten, wickelte das Kabel langsam ab und suchte Schutz hinter der nächsten Gangecke. In Gedanken zählte er langsam bis drei, dann zündete er die Sprengladung.
Das Explosionsgeräusch war so laut, dass Holden dachte, es müsse noch in New York hörbar sein, aber die dicken, alten Mauern ließen nur ein gedämpftes Brummen nach draußen dringen, das um diese Uhrzeit in dieser Gegend niemand bemerkte.
Die Tür fiel zusammen mit dem Türrahmen nach innen. Staub wurde aufgewirbelt. Holden setzte sein Nachtsichtgerät wieder auf. Mit seiner Maschinenpistole im Anschlag rannte er aus der Deckung. Hinter ihm sprangen seine Männer über die jetzt nutzlose Metalltür hinweg.
Eliza Brown hatte in all den Jahren, die hinter ihr lagen, viel erlebt, das Meiste davon war nicht gut gewesen, aber nun im Alter von 63 Jahren dachte sie, dass das Schlimmste hinter ihr liegen müsste.
Nur zwei Mal in ihrem ganzen Leben hatte sie Anacostia verlassen. Das erste Mal, als sie sechs Jahre alt gewesen war. Ihr Vater hatte sie in die Innenstadt mitgenommen und ihr die Mall und das Lincoln Memorial gezeigt. Damals war sie von der mächtigen, steinernen Figur beeindruckt gewesen, die streng, aber gütig auf die Menschen herabblickte. Heute wusste sie, dass Lincoln zwar die Sklaverei abgeschafft hatte, aber letztendlich war auch er nur ein Weißer gewesen, und Weiße hatten Schwarzen noch nie Glück gebracht.
Ihr Vater war während des Zweiten Weltkrieges bei der Landung der Alliierten in der Normandie gefallen. In einem Krieg, den Weiße gegen Weiße führten. Manchmal nahm sie den vergilbten Brief, mit dem der Staat den Tod des Ernährers der Familie bekannt gegeben hatte, aus der Schublade in der Küche und las ihn durch, aber das geschah nur noch selten. Alles war in ihrer Erinnerung längst verblasst.
Das zweite Mal, dass sie aus der gewohnten Umgebung herausgekommen war, geschah aus Anlass ihres elften Geburtstags. Ihr älterer Bruder Jeff, der heute in Florida lebte, war mit ihr zum Lafayette Park, dem schönsten Park Washingtons, gefahren. Einen ganzen Tag lang hatten sie in der Sonne zwischen all den wunderbaren Bäumen gespielt. Es war das schönste Geburtstagsgeschenk gewesen, das sie sich vorstellen konnte.
Sie selbst hatte vier Söhne auf die Welt gebracht, von denen zwei schon vor dem Erwachsenenalter gestorben waren. Mathew, ihr Ältester, wurde von einer Kugel erwischt. Sein drei Jahre jüngerer Bruder Sam war an einer Überdosis Heroin krepiert.
Sie erinnerte sich nur noch vage an das Aussehen der Väter ihrer Kinder - Männer, die gekommen und gegangen waren, aber manchmal glaubte sie, in ihren Söhnen deren Gesichter wieder zu erkennen.
Früher hatte sie als Hure gearbeitet, eiskalte Nächte und heiße Tage an den Ecken der Straßen auf Freier gewartet, bis sie zu alt geworden war. Seit dieser Zeit verdiente sie ihr Geld mit dem Verkauf von Crack. Das Dealen brachte viel mehr ein, und seit fünf Jahren produzierte sie das Zeug im Untergeschoß ihres Wohnhauses und machte ein Vermögen damit.
Das Gebäude lag ideal. Vor einigen Jahren hatte sie es dem ursprünglichen Besitzer für ein Butterbrot abgekauft, nachdem er nächtlichen Besuch von ihren Söhnen bekommen hatte, die ihm klarmachten, dass Eliza Brown immer bekam, was sie wollte.
Außer dem Erdgeschoß, in dem sie mit einem Sohn und vier männlichen Enkeln wohnte, stand das Haus leer. Eliza wollte keine neugierigen Nachbarn
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