Dunkles Feuer
sorgfältig gemieden hatte. Mittlerweile hatte ihr Geist einen Zustand fiebriger Erregung erreicht, und sie fühlte, dass alles besser wäre, als ihre Zweifel.
Sie irrte sich. Als sie durch das welke Laub der Bäume zwei Gestalten ausmachte, setzte ihr Herz für einen Schlag aus, und sie musste sich an einem Ast festhalten, um ihr Gleichgewicht zu halten. Sofort schalt sie sich eine Närrin. Nur weil Frederik sich mit Martha unterhielt, mussten ihre ungeheuerlichen Anschuldigungen noch lange nicht wahr sein. Vorsichtig schlich Elisabeth näher. Dass sie dabei gegen Anstand und Sitten verstieß, war ihr völlig gleichgültig. Sie musste einfach hören, was auf der kleinen Lichtung gesprochen wurde.
Sie sah, wie Frederik sich wütend von der jungen Frau abwandte. »Wie oft soll ich es dir noch sagen? Ich kann dir nicht mehr geben, als ich dir angeboten habe. Und das ist bereits sehr viel mehr, als du verdienst.«
»Das Kind braucht einen Namen.«
Elisabeth hielt den Atem an.
»Nicht meinen.«
»Es hat aber ein Anrecht darauf.«
»Niemals. Es ist nicht mein Kind.«
»Gestern Nacht, in deiner Schlafkammer, hast du es aber noch ganz anders gesehen. Willst du etwa bestreiten, dass du Nacht für Nacht in mein Bett gekommen bist?«
»Eher du in meins!« stieß Frederik wütend hervor. Er sagte noch mehr, viele Dinge. Doch Elisabeth hörte sie nicht länger, denn ihre gesamte Welt war aus den Fugen geraten und über ihrem Kopf restlos zusammengebrochen.
Sie wusste nicht mehr, wie sie den Weg zurück in ihre Kammer gefunden hatte, oder wie es kam, dass sie niemandem begegnet war.
Erst oben in ihrem Zimmer kam sie langsam wieder zu sich. Ihr Verstand meldete sich allmählich, doch auch er konnte Frederiks ungeheuren Verrat nicht fassen.
Nüchtern und distanziert betrachtete Elisabeth ihre Optionen, als ob es um eine Fremde ging.
Und im Grunde betraf es sie auch nicht mehr, denn ihr Leben, all ihre Hoffnungen und Träume lagen in Trümmern hintern ihr. Sie war von dem einzigen Mann, den sie jemals geliebt hatte, dem einzigen, dem sie bedingungslos vertraut hatte, ruiniert und verraten worden. Sie wusste, dass sie sich von diesem Schlag niemals wieder erholen würde.
Bisher hatte sie alle Schicksalsschläge überwinden können. Denn sie hatte immer sich selbst und ihre Selbstachtung gehabt. Doch Frederik hatte ihr selbst das genommen. Sie verachtete sich selbst. Umso mehr dafür, dass sie nicht aufhören konnte, ihn zu lieben.
Sie war auf einen Mann hereingefallen, vor dem sie hundertmal gewarnt worden war. In ihrer Arroganz hatte sie geglaubt, dass sie ihn ändern konnte. Wahrlich ein Fehler, für den sie nun teuer bezahlte. Sie hatte sich ihm hingegeben, gegen alle ihre Werte und Überzeugungen, und das würde sie sich ebenfalls nie mehr verzeihen.
Was also sollte sie tun?
Sie würde Frederik nicht mehr heiraten, ja, ihn nicht einmal mehr ansehen können.
Sie würde niemals wieder einen anderen Mann lieben, zumindest nicht so, wie sie Frederik geliebt hatte. Und sie wusste, dass alles andere nur ein billiger Abklatsch oder eine hässliche Lüge sein würde. Eine Lüge, die sie nicht leben könnte, ohne daran zugrunde zu gehen.
Was also blieb ihr noch? Ihr Leben als gefallene Frau in einem Kloster zu verbringen?
Ihr Blick wanderte zu dem spitzen Dolch, mit dem sie ihre Post zu öffnen pflegte. Nein, das Kloster war nichts für sie. Wenn Gott ihr Leben haben wollte, dann konnte er es auch sofort haben. Vielleicht konnte er ihr vergeben, denn sie selbst konnte es nicht.
Einzig der Gedanke an ihren Vater vermochte noch den Nebel ihrer Gefühllosigkeit zu durchdringen. Doch ob sie da war oder nicht, an seinem Schmerz würde sich wahrscheinlich nichts ändern. So konnte sie ihm zumindest die Schande ersparen und sich den Anblick von Scham und Enttäuschung in seinen Augen.
Das letzte, das Elisabeth sah, bevor sich ihre Augen schlossen, war ein weißer Zettel auf ihrem Schreibtisch, auf dem in ihrer Handschrift die Worte standen: »Verzeiht mir, Vater, dass ich den leichteren Weg gehe, doch ich könnte die Schande nicht ertragen. In Liebe, Eure Elisabeth.«
Und kein Wort über Frederik.
Frederik betrachtete zufrieden sein Spiegelbild und richtete seine Halsbinde. Er hatte die Sache mit Martha endlich geklärt, indem er ihr so viel Geld geboten hatte, dass sie einfach nicht ablehnen konnte. Eine lebenslange Rente für sie und das Kind, aber unter der Bedingung, dass sie nie wieder ein Wort darüber verlor und weder ihm noch
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