Dunkles Geheimnis
Himmel reflektiert. Der Wald ringsum ruhte im Dunkeln.
Im hell erleuchteten Wohnzimmer saß Tea auf dem Sofa und hörtenichts Böses ahnend ein Hörbuch. Sie wusste nicht, dass ihr Bruder vielleicht nicht wieder hereinkommen würde.
Niemals wieder.
Er hatte gesagt, er wolle sich die Füße ein wenig vertreten, und darüber hatte sie sich nicht weiter gewundert. Natürlich dachte sie nicht daran, dass draußen herbstliche Dunkelheit und Kälte herrschten – nicht unbedingt das ideale Wetter für einen Abendspaziergang.
Er verfluchte sich selbst, weil er die Vorhänge nicht zugezogen hatte. Die Lampen im Haus durfte er nicht einfach löschen, denn das starke Licht verjagte einen Teil der Dunkelheit, die sie sonst umgab. So konnte sie zumindest die Umrisse der einzelnen Gegenstände erkennen und ahnen, wie Ted sich im Zimmer bewegte.
Tea saß da wie eine lebendige Mahnung, dass er nicht nur sein eigenes Leben riskierte, sondern auch das seiner Schwester.
Er hatte erwogen, Tea anderswo unterzubringen und auch Svea zu warnen – die Drohung hatte ja auch ihr gegolten. Doch dann hätte er erklären müssen, warum. Und das schaffte er nicht. Außerdem würde eine Flucht nur eine kurze Atempause bewirken. Sie würden die Mädchen finden, wo immer sie sich aufhielten – wenn sie das vorhatten.
Das Einzige, worauf er hoffen konnte, war, dass nicht einmal diese Widerlinge es über sich bringen würden, einem hilflosen behinderten Mädchen und einer jungen unschuldigen Schülerin etwas anzutun.
Ted holte ein paarmal so tief Luft, dass ihm fast schwindelig wurde.
Unglaublich, wie gut sich das anfühlte.
Nur einfach atmen.
Sogar hier im Freien zu stehen und zu frieren war tausendmal besser als die andere Alternative, die er riskierte.
Er hatte immer wieder angerufen, aber keine Antwort erhalten.
Schließlich hatte er beschlossen, sie draußen auf dem Fahrweg abzufangen und ihnen alles Geld zu geben, das er besaß. Das wäre immerhin die Hälfte seiner Schulden. Danach konnte er nur hoffen, dass sie ihm mehr Zeit lassen würden, um den Rest zu begleichen.
Das Geld lag in einer Aktentasche zu seinen Füßen. Er hatte sogardas Sparschwein geplündert, in das er und Tea die Münzen steckten, die ihnen im Geldbeutel zu schwer wurden.
Er ging an der Garage vorbei zur Weggabelung, blieb stehen und wartete – voller Angst und Verzweiflung.
Das Motorengeräusch näherte sich pünktlich um zweiundzwanzig Uhr.
Ein großer Stadtjeep kam von der Straße herübergefahren und bremste, als die Scheinwerfer auf Ted fielen.
Ted kämpfte mit seiner eigenen Angst. Er musste es riskieren. Das sind wir Spieler ja gewohnt, dachte er verbittert.
Der Wagen hielt zwei Meter vor ihm. Es war dasselbe Auto, das ihm vom Ärztehaus gefolgt war.
Aber waren es dieselben Typen, die ihn damals entführt hatten?
Die waren maskiert gewesen.
Diese hier waren es nicht. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
Auf der Fahrerseite stieg ein Kerl in Teds Alter aus. Er hatte einen imponierenden Körperumfang, ein blonder Pferdeschwanz hing ihm über den Rücken. Seine Jeans umspannten kräftige Schenkel und die mit Abzeichen versehene Lederjacke knarrte, als er auf Ted zukam.
„Hallo. Liam.“
Als er Ted die Hand reichte, rasselten die goldenen Kettenglieder an seinem Handgelenk.
„Te-ed.“
Teds Stimme bebte. Seine zitternde Hand wurde kurz und kräftig gedrückt.
Was werden sie mit mir machen?
Der zweite Typ stieg ebenfalls aus, blieb aber beim Auto. Aus dem Augenwinkel sah Ted einen glatzköpfigen Muskelprotz, der noch kräftiger zu sein schien als Liam. Im Fitnesscenter hatte Ted so ähnliche Typen schon gesehen. Groteske Fleischberge, deren Ringerhemden in den aufgepumpten Bizeps schnitten.
Ein einziger wohlgezielter Schlag seiner steinharten Faust würde meinen Schädelknochen zertrümmern.
„Nico“, sagte Liam mit einer Kopfbewegung nach hinten.
Nico ging zur Garage und verschwand dahinter. Das machte Ted nervös. Der Typ hatte doch hoffentlich nicht vor, zu Tea ins Haus zu gehen? Er machte ein paar Schritte zur Seite, um die Vorderseite des Hauses im Auge behalten zu können.
„Nico ist ein bisschen ungeduldig. Also, wo hast du die Kohle?“, fragte Liam.
Ted zögerte.
Wenn ich ihm das Geld jetzt gebe, sieht Nico das nicht. Dann könnte Liam behaupten, er hätte nichts bekommen, und was dann?
Liam stampfte ungeduldig.
„Hörst du schlecht?“
Ted bückte sich nach der Aktenmappe.
„Hier.“
„Her
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