Dunkles Geheimnis
dankbar zu.
„Ich bin auf Alexander sauer, weil …“
„Svea, warte!“
Alexander holte mich ein, als wir zum Klassenzimmer gingen.
„Das hier musst du dir einfach anhören! Ist einfach wahnsinnig komisch. Anton hat gerade erzählt, dass …“
Er lief so schnell, dass ich fast rennen musste, um mit ihm Schritt zu halten. Nicht weil ich mich für Antons Witz interessiert hätte, sondern weil ich so froh und erleichtert darüber war, dass die Jungs nicht über mich gelacht hatten, sondern über etwas, das Anton erzählt hatte!
Jo blieb zurück.
Als sie ins Klassenzimmer trat, kam sie nicht zu mir und Alexander her. Stattdessen setzte sie sich neben Daniela.
„Was ist denn mit Jo los?“, unterbrach sich Alexander mitten in einem Satz.
Ich sah Jo an, die den Blick sofort dem Fenster zuwandte.
„Sie will lieber am Fenster sitzen“, behauptete ich.
Aber natürlich war mir klar, dass sie stinksauer auf mich war. Ich sagte mir, das würde vorbeigehen. Gleich nach dieser Stunde würdeich ihr erklären, warum ich nicht auf sie gewartet hatte. Und sie würde es verstehen.
Aber ganz sicher war ich nicht.
*
Ted hatte sich am Morgen krankgemeldet und den ganzen Tag im Bett verbracht, von anhaltenden Schmerzen und düsteren Gedanken gequält.
Was mache ich nur?
Er hatte sich selbst in eine Ecke manövriert. Jetzt ging alles schnurstracks zum Teufel.
Tea hatte ihn mit beunruhigten Fragen bombardiert, aber er hatte sich damit herausgeredet, er hätte Bauchschmerzen.
Und klar hatte er Schmerzen, aber nicht nur im Bauch. Sein ganzer Körper schmerzte nach den brutalen Hieben des gestrigen Abends.
Zum Glück hatte sie das Hörbuch angehört und darum nichts von dem Tumult vor dem Haus mitbekommen.
Er richtete sich mühsam im Bett auf. Kurzer Schwindel ließ alles vor seinen Augen verschwimmen, das ganze Zimmer schien sich um ihn zu drehen. Er wartete, bis es ihm gelang, den Blick auf die Schreibtischlampe zu konzentrieren, und kroch erst dann aus dem Bett.
Seine Beine zitterten und sein Körper schwankte. Aber am schlimmsten war der reißende Schmerz im Zwerchfell. Hoffentlich war innen nichts verletzt worden. Er bewegte sich vornübergebeugt, die Arme als Halt um den Bauch gelegt, ohne sich aufrichten zu können.
Gleichzeitig wusste er, dass es noch schlimmer hätte enden können. Wenn Nico nicht mit seinem Vorschlag gekommen wäre, würde er jetzt vielleicht schon als verkohlte Leiche auf irgendeinem verlassenen Parkplatz liegen.
Jetzt hatte er eine neue Chance bekommen.
Einen Ratenzahlungsplan.
Laut Liam ein großzügiger Plan, mit fünfzig Prozent Zinsen. Die Bedingung war, dass er ihnen während dieser Zeit seine Garage zur Verfügung stellte. Und sich fernhielt, wenn sie Bescheid sagten.
Er hatte ausgerechnet, dass er zwei Jahre brauchen würde, um die beiden Aufpasser und seine Schulden loszuwerden.
Zwei lange Jahre mit der ständigen Sorge, sie könnten es sich plötzlich anders überlegen.
Wofür die Garage benützt werden sollte, erfuhr er natürlich nicht. Aber man brauchte kein Einstein zu sein, um zu kapieren, dass es etwas Kriminelles war.
Während Ted sein Ultimatum bekommen hatte, war ihm klar geworden, dass Nico und Liam nur Teile eines komplizierten Netzwerkes waren, wo einzig die Spitzenleute einen Einblick in die gesamte Organisation hatten. Jetzt war er selbst zu einem Rädchen darin geworden.
Liam hatte besonderes Gewicht darauf gelegt, dass Ted die Klappe zu halten habe. Es sei Teds Garage. Sollte ihm je einfallen mit der Polizei zu reden oder sonst irgendwie Probleme zu machen, würde er zur Verantwortung gezogen werden und sonst niemand. Außerdem würden seine Schulden dann zur sofortigen Bezahlung anstehen. Auch in den Gefängnissen hatten sie genügend Leute, er würde also auch dort nicht entkommen, falls er das glauben sollte.
Ted versuchte sich aufzurichten und verzog das Gesicht. Wie sollte er es schaffen, morgen zur Arbeit zu gehen?
Vor dem Fenster nahm die Dunkelheit zu. Der Himmel verwandelte sich langsam von Dunkelgrau in Schwarz.
Plötzlich sah er, dass sich jemand zwischen den Johannisbeerbüschen bewegte.
Er wankte mit verzerrtem Gesicht ans Fenster.
Was zum Teufel …?!
Genau wie am Freitag standen sie wieder da. Diesmal aber deutlicher sichtbar.
Sie waren zu viert. Die Fahrräder hatten sie an die Garage gelehnt.
Im Schutz der Dunkelheit im Zimmer konnte er sie beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Es waren Jungs, wahrscheinlich Neuntklässler.
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