Dunkles Geheimnis
Schritt in Richtung eines anderen Lebens. Eines besseren Lebens für sie und für ihn.
Darum zog er die Hand zurück, schlich wieder in sein eigenes Zimmer und schloss die Tür. Wenn er Tea nicht mehr weinen hörte, würde sein schlechtes Gewissen vielleicht nachlassen.
Doch da irrte er sich.
Am Morgen war Tea immer noch sauer und sprach nur das Allernötigste. Auch im Auto schmollte sie noch. Im Autoradio zappte sie zwischen den Sendern hin und her und schaltete sofort um, wenn ein Stück kam, das ihm gefiel.
Aber er ließ sie gewähren. Wenigstens versuchte sie ihn nicht dazu zu zwingen, wieder umzukehren.
Auf der ganzen Strecke nach Göteborg hingen schwere Regenwolken in der Luft, aber die ersten Tropfen fielen erst kurz bevor sie ankamen.
Ihr Vater hatte sie in seiner Wohnung zum Abendessen eingeladen. Er hatte zugenommen und sein Haar war deutlich lichter, stellte Ted fest. Weder Ted noch Tea sahen ihm ähnlich.
Ebba und Filip, die Kinder von Vaters neuer Frau, gingen noch in die Grundschule. Ebba war gerade in die Schule gekommen und Filip gingin die Dritte. Sie waren dunkelhaarig und hatten dunkle Augen, genau wie ihre Mutter Anna. Anna hatte chilenische Wurzeln, wenn Ted sich richtig erinnerte. Sie trug einen blauen Pulli und schwarze Jeans und sah viel jünger aus als Teds Vater.
Ted und Tea wurden steif umarmt und dann an einen gedeckten Tisch geführt. Ebba und Filip starrten Tea an, als wäre sie ein Tier, das aus einem Zoo ausgerissen war.
Was nicht verwunderlich war, denn Tea benahm sich wie ein trotziges Kind. Sie stieß an Stühle und den Tisch, warf eine Vase um und klapperte unbeholfen mit dem Besteck gegen den Tellerrand.
Anna hatte mit hochstieligen Weingläsern gedeckt, die teuer aussahen. Angespannt verfolgte sie Teas Unbeholfenheit und zuckte jedes Mal zusammen, wenn Tea die Hand nach dem Glas ausstreckte. Ab und zu warf sie ihrem Mann einen gereizten Blick zu.
Na bitte, was hab ich gesagt!
Vermutlich hatte er behauptet, Tea käme trotz ihrer Behinderung einwandfrei zurecht – etwas, das er, der Tea nicht getroffen hatte, seit sie ihr Augenlicht verloren hatte, ja unmöglich wissen konnte.
Ebba und Filip verfolgten kichernd Teas unbeholfene Bewegungen und wären vor Lachen fast vom Stuhl gefallen, als Tea einer Erbse auf ihrem Teller hinterherjagte, sich mit der leeren Gabel in den Mundwinkel fuhr und einen gekünstelten Schrei ausstieß.
Ted ärgerte sich immer mehr über Tea. Sollte sie sich doch gleich bei der Schauspielschule anmelden! Sie spielte blind, nur um ihrem Vater und Anna zu beweisen, dass sie mit dieser Einladung einen schrecklichen Fehler gemacht hatten.
Als das Essen endlich vorbei war, atmete Ted erleichtert auf. Welch ein Glück, dass er nicht versprochen hatte, zu bleiben! Sonst wäre er noch richtig sauer auf seine Schwester geworden.
Sein Vater begleitete ihn an die Tür, als er sich verabschiedete.
„Du darfst gern zurückkommen und hier übernachten“, sagte er fast flehend.
Seine Stimme klang angespannt vor Sorge. Ihm war nicht klar, wie er mit der Situation fertig werden sollte.
„Du brauchst mir wirklich nicht zu helfen“, war Annas schrille Stimme aus der Küche zu hören.
„Natürlich werd ich das. Ich …“
Tea wurde von einem Klirren unterbrochen.
„Uuups“, sagte sie und kicherte.
„Tea hat eins von Omas guten Weingläsern kaputt gemacht“, teilte Filip anklagend mit.
Der Vater bekam schmale Augen, er presste die Lippen zusammen.
„Mama ist ganz arg böse!“, ließ sich Ebbas Stimme vernehmen.
„Das bin ich nicht“, murmelte Anna. „Das war ein Missgeschick.“
„Aber du hast gesagt …“
„Sei still, Ebba, und hilf mir lieber!“, unterbrach Anna sie.
Sein Vater schüttelte verlegen den Kopf, als er Ted ansah.
„Ich dachte, sie kann noch ein bisschen sehen“, flüsterte er. „Du hast doch gesagt, sie kommt so gut zurecht.“
Zuerst wollte Ted verraten, dass Tea einfach sauer war und sich nur so unbeholfen anstellte, überlegte es sich aber lieber anders. Dann würde sein Vater vielleicht wütend werden und Tea schlimmstenfalls an die Luft setzen. Ehrlich gesagt war es höchste Zeit, dass er seine Tochter kennenlernte, mit all ihren Seiten. Bis morgen würde sie sich bestimmt beruhigt haben. Und sein Vater auch.
„Danke, aber ich hab es schon mit Felix vereinbart. Er kann mir vielleicht zu einem Job hier in Göteborg verhelfen. Ich lass morgen von mir hören.“
„Es ist dir also ernst mit deinen Plänen,
Weitere Kostenlose Bücher